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Mit Turbo in die Hölle

MAINZ (13. Januar 2019). Was für eine Frau! Und welch ein Fingerspitzengefühl bei der Themenwahl. Lisa Eckhart spürt in ihrem zweiten Solo „Die Vorteile des Lasters“ im Unterhaus den sieben „Todsünden“ nach.

Eitelkeit, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit. Doch die Zeiten sind treu, vegan und nüchtern, der Gott des Alten Testaments im Neuen ein „antiautoritärer-birkenstocktragender-Schüßlersalz-Dinkel-Gott“. Die Sünde hat nichts Prickelndes mehr, sondern ist salonfähig – sprich: langweilig.*

Hält das Kabarett dem Publikum in der Regel den Spiegel vor, blickt Eckhart selbst hinein, denn schließlich pflegt sie die Sünde als persönliches Wesensmerkmal. In der Sauna überkommen sie orgiastische Phantasien, Wut ist für sie ein wichtiger Rohstoff, Dekadenz ist ihr Lebensprinzip. Mit stählerner Hybris seziert die Österreicherin die Gegenwart und zieht ihre gesellschaftlichen Auffälligkeiten auf den Scheiterhaufen, denn Selfies, All-you-can-eat-Buffets, Konsumrausch und Missgunst sind längst en vogue: „Die katholische Kirche hat die Habgier stets vorgelebt und im Vatikan existiert die größte Münzsammlung – doch es sind viele Gleiche drunter.“

Fraglos ist ein Abend mit Lisa Eckhart, die weit mehr Organe als nur ihr Herz auf der Zunge trägt, nichts für Zartbesaitete. Doch das Ordinäre als Stilmittel ist extraordinär und eine Wucht: „Ich bin keine Künstlerin, ich bin Kunst“, tönt sie selbstbewusst. Und hat Recht: Geschmeidig wie eine Raubkatze umschleicht sie ihr Thema, packt es mit ihren krallenartigen Fingernägeln beim Schopf und schlägt die scharfen Pointen kraftvoll ins Fleisch, um genussvoll das Salz ihres ätzenden Humors in die mit dem Skalpell der Sprache geöffnete Wunde rieseln zu lassen. Eckharts Aura ist kunstvoll verrucht, ihr Witz herb bis derb, doch klug und fundiert – diese Femme fatale ist in ihrer Bühnenpräsenz so einzigartig wie genial: „Ich habe die Gelassenheit dessen, der Recht hat.“

2018 erhielt sie als gleißender, neuer Stern am Satire-Himmel den Förderpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis und bekommt im Mai mit dem Salzburger Stier schon die nächste prestigeträchtige Auszeichnung. Dem Publikum verrät sie, dass man sie bat, für die Verleihung 30 Minuten jugendfreies Kabarett zu spielen. Was für Sie die Frage aufwirft, ob die Salzburger Juroren sie überhaupt kennen. Doch Lisa Eckhart ist guter Dinge: Die Radioaufzeichnung von RAI Südtirol aus dem Kurhaus Meran am 11. Mai wird live gesendet…

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