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Kunstschmied des Satzbaus

MAINZ (20. Januar 2014). Normalerweise ist Piet Klocke eine Zumutung – zumindest für Angehörige der Logopäden-Zunft, die ihn wahrscheinlich liebend gerne unter ihre Fittiche nehmen würden, doch bald an seiner Pflege des Anakoluths zugrunde gingen: Denn eigentlich bringt der Mann keinen Satz zu Ende.

Er knüpft gedanklich da an, wo es partout nicht passen möchte und verbindet die Trümmer seines Vortrags zu einem kafkaesken Sprachkunstwerk, das sich im Nirgendwo zu verlieren droht, um dort auf andere Versprengte des implodierten Satzbaus zu treffen.

Aber Piet Klocke kann auch anders, was die Zuhörer der sonntäglichen SWR1-Talkrunde erleben durften, zu der ihn der Sender am Tag vor seinem Unterhaus-Gastspiel eingeladen hatte. Dort plauderte er munter drauf los – und durchaus im ganzen Satz. Auch schriftlich ist der Künstler ausdrucksstark, was er in seinem aktuellen Programm „Kann ich hier mal eine Sache zu Ende?!“ unter Beweis stellt. Klocke ist nicht nur Kabarettist, Komponist und Schauspieler, er hat auch Bücher geschrieben. Das Jüngste gab dem Abend im Unterhaus seinen Namen; ein weiteres, aus dem er hier zitiert, heißt „Das geht alles von Ihrer Zeit ab“.

Doch das, was das Publikum erschütternd komisch findet, gefällt dem Schöpfer so gar nicht: „Da spricht selbst das Huhn von hanebüchen“, kommentiert er seinen Vortrag, den er mit Zitaten aus seinen Werken garniert. Wer hier einen tieferen Sinn sucht oder sich gar an einem roten Faden festhalten will, ist zum Scheitern verurteilt. Wer jedoch das Spiel mit der Sprache liebt, erlebt einen begnadeten Meister, dessen Vorbild Loriot warm und vertraut zwischen den Zeilen glimmt: So wie Vicco von Bülow seine Knollennasenmännchen zuweilen mit herrlich gestelzten Untertexten versah, gelingt es Klocke, seine Gedankenbilder informativ zu untermalen.

Da wird die Genese eines Bernhardiners mit Fässchen nachgezeichnet, der ein Alkoholproblem bekommt. Und prompt stellt Klocke die ganze Evolution in Frage, über die er sich mit Gott unterhält: gurrende Tauben, arrogante Fruchtfliegen, die hochtrabenden Vorstellungen eines Seepferdchens und Meerschweinchen, die nach Brandung verlangen. Was den Einzeller einst aus seiner Enge trieb, müsste auch jeden überzeugten Kreationisten ins Grübeln bringen.

„Ich wohne in einem Viertel, das ist nichts Halbes und nichts Ganzes“, zeichnet der Kunstschmied des Satzbaus seine Biografie nach und sinniert darüber, warum man mit Sekundenschlaf meistens nicht auskommt. Gestisch und mimisch unterfüttert wird hier jedes Bonmot zum geschmackvollen Amuse Gueule für den Geist und selbst schreiender Nonsens zur nachdenklichen Fußnote geadelt.

Klocke ist (wie die größten Humoristen vor ihm) dabei ein genauer Beobachter der menschlichen Unzulänglichkeit, zu der er sich selbst gerne bekennt. Durch seine runden Brillengläser sieht er die Welt und birgt dabei zuweilen manch poetisches Kleinod: „Vergangenheit sieht man, wenn man im Zug aus dem Fenster schaut und gegen die Fahrtrichtung sitzt.“ Da ist es doch egal, wenn Klocke ansonsten keine Sache zu Ende…

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