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Die da oben – wir hier unten

MAINZ (30. April 2016). Es fängt gut an, das kurze Gastspiel, das Richard Rogler mit seinem Programm „Freiheit aushalten!“ im ausverkauften Unterhaus gibt. Wie sein Kollege Wilfried Schmickler, der die TV-Gemeinde am Ende der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“ mit seiner Revolverschnauze auf aktuelle Missstände aufmerksam macht, redet sich auch Rogler schnell in Rage.

Am imaginären Stammtisch brodelt es kräftig, wenn der Kabarettist sich darüber beschwert, nicht mehr selbst denken und handeln zu dürfen. Überall werde man überwacht, vor allem gewarnt. Sorgenfreies Essen und Trinken sei kaum mehr möglich – und war es vor Zeiten der Kaffee, der für schädlich erklärt worden sei, ist es heute der pestizidbelastete Tee, der einem einst als Alternative buchstäblich ans Herz gelegt wurde. „Überall sind nur noch Experten.“ Und jeder könne ein solcher werden – auch für Terrorismus: „Sie müssen in einer Talk-Show nur sagen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt.“

Das „Geschäft mit der Angst“ auf der einen Seite, die dadurch (oft selbst) beschnittene Freiheit auf der anderen – daraus könnte man viel machen. Vor allem ein gutes Kabarettprogramm. Gerade ein alter Hase wie Rogler, der seit 30 Jahren als Solist unterwegs ist, hätte eigentlich das Zeug dazu. Umso überraschender ist es also, wenn daraus so gar nichts wird. Was zu Beginn noch mutig klingt und durchaus kontrovers formuliert ist – Roger bezieht zur AfD Stellung und vermutet offen, dass die Menschen im Osten wohl „etwas dümmer“ seien –, was also als steiler Aufstieg daherkommt, geht sehr schnell in einen thematischen Sinkflug über.

Denn plötzlich wird dieser bislang nur vorgestellte Stammtisch real: Da sind die raffgierigen Politiker, die für ihren Job keine Zeit mehr haben, weil sie nur an die eigene Versorgung denken. Da sind die Kleidung der Kanzlerin (Hillary Clinton trage Kleider für 25000 Dollar, aber Angela Merkel sehe aus, als käme sie zu Fuß von C&A, wo sie drei Busen zum Preis von einer ergattert habe) und die Leibesfülle des SPD-Chefs (könne man das Ozon-Loch mit stopfen) – selbst Ulla Schmidt („Ihre Reden als Gesundheitsministerin gelten als Meilensteine in der Anästhesie.“) wird ausgebuddelt. Und wehe dem, der mit dem Thermomix eine Kürbis-Ingwer-Suppe kocht: Themen werden wütend zusammengerafft und nur plump verknüpft.

„Ich fühle mich verarscht“, bringt Rogler es für sich auf den Punkt. Da mag man ihm durchaus Recht geben, doch diese Feststellung allein trägt kein Kabarettprogramm. Stattdessen erlebt man ein lautstarkes Kasperltheater, das doch schmerzlich an seinen Titel erinnert: „Freiheit aushalten!“ An diesem Abend heißt das die Freiheit von eigentlich gewohntem Tiefgang, Esprit und Originalität. Schade.

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