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„Reim Time“ zur Primetime

MAINZ (8. November 2016). Zuweilen fasst man sich an den Kopf, denn die Pointe, die Willy Astor da eben rausgehauen hat, ist dermaßen flach, dass sich ein glattes Blatt Papier dagegen wie ein Gebirge ausnimmt. Doch genau diese Spannung zwischen seichtem Scherz und geistreichem Wortwitz macht es eben. Astor würde wahrscheinlich sogleich von „Oberflächenspannung“ witzeln.

Der Bayer ist einer der ganz großen Sprachkünstler der Republik. Vor ausverkauftem Frankfurter Hof spielt er sein aktuelles Programm „Reim Time“ zur Primetime und das Publikum klebt an seinen Lippen, amüsiert sich köstlich – vor allem rechts vorne ortet der Künstler einige besonders Erheiterte: „Das ist wie ein Flächenbrand.“ Und der breitet sich rasend schnell aus.

Astor, der auch ein Meister auf der akustischen Gitarre ist, singt bekannte Songs an mit eigenwilligem Refrain: Tom Jones „Sexbomb“ erklingt zum Zahnarztbesuch eines Hais („Sechs Blomb‘“), in „The Lion sleeps tonight“ von „The Tokens“ beklagt der Löwe, im tue die Wimper weh und der Urologe droht zum James-Bond-Song mit seinem „cold finger“. An anderer Stelle spielt Astor mit Reim und Versmaß, wobei er eine fade Story kunstvoll zum witzigen Poem umdichtet – Dada lässt grüßen.

Das große Talent dieses Künstlers ist der Blick aufs Kleine. Eine Geschichte untersucht er Satz für Satz, Wort für Wort und Silbe für Silbe nach Pointen-Potenzial. Mit den gehobenen Scherz-Schätzen will er laut eigener Aussage vor allem eines machen: Spaß, albern sein und damit Freude bereiten. „Springen Sie durch Pfützen“, rät Astor: „Lachen sind gesund.“ Und in einer Zeit, in der alles immer mehr aus dem Ruder zu laufen droht, ist es sicherlich nicht die schlechteste Idee, dem kritischen Geist mal eine kleine Auszeit zu gönnen.

Wobei Astors „Blödsinn“, seine Sprachakrobatik und das Jonglieren mit Wörtern, alles andere als Nonsens ist. Auch wenn er nach einem besonders flachen Gag beteuert, daran habe er drei Tage lang gesessen: Wie genial Astor das Feilen am Satz sowie das richtige Timing beherrscht, wird vor allem in den Geschichten klar, in denen er bestimmte Genres behandelt und große Literaten oder Prominente versteckt. In seiner WG („Hier brät Pitt.“) schaut er mit Cameron Dias oder moniert, dass George das Klo nie putzt.

Doch Willy Astor hat auch andere Seiten – und Saiten: Am 13. Februar gastiert er erneut im Frankfurter Hof, wo er seine neuen „ChanceSongs“ spielen wird. Und dann hört man durchaus auch mal nachdenkliche Lieder. Die Kostprobe, die der Künstler als Zugabe präsentierte, machte durchaus neugierig auf diese stilleren Töne. Wobei der Name des Programms ja schon zeigt: Auf den wunderbaren Wortwitz Astors wird man auch hier nicht verzichten müssen.

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