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Barocker Esprit ohne romantische Effekthascherei

FRANKFURT – Der „Messias“ oder – viel schöner! – „The Messiah“ von Georg Friedrich Händel (1685-1759) gehört zweifelsohne zu den ewigen „Top 10“ der klassischen Musik, selbst wenn die Allgemeinheit nur das „Hallelujah“ kennen mag. Der Komponist selbst war seinerzeit so etwas wie ein Popstar – ob er ahnte, dass man mit seinem Oratorium auch heute, 250 Jahre nach seinem Tod, noch selbst größte Gotteshäuser mühelos voll bekommt?

Das Gastspiel des saarländischen Neumeyer-Chors und -Consorts unter der Leitung von Felix Koch im Frankfurter Kaiserdom bot dem Publikum allerdings keine der so oft besetzungstechnisch überdimensionierten Aufführungen: Mit unter 50 Mitwirkenden verfügte der Dirigent über einen schlanken und angenehm wendigen Klangkörper, wodurch die ungekürzte Aufführung in englischer Sprache äußerst transparent und homogen geriet.

Der Neumeyer-Chor musizierte (abgesehen von wenigen Flüchtigkeiten in den Bässen) intonatorisch punktgenau und effektvoll, womit er sich als perfekter Partner des Consorts erwies, das vital und ambitioniert die auffallend vielen tänzerischen Gesten, die sich durch dieses Werk ziehen, in stimmigen Klang fasste.

Der vokale Klangkörper beeindruckte vor allem in den crescendierenden Reibungen in Nr. 21 („Surely he hath borne“), mit filigranen Sechzehntel-Ketten in Nr. 7 („And He shall purify“) und Nr. 23 („All we like sheep“) und einem skandierten „If He delight in Him“ in Nr. 25.

Felix Koch verstand es mit einem leidenschaftlichen Dirigat, die werkimmanente dramatische Steigerung beständig aufzubauen und setzte nicht zuletzt mit der finalen „Amen“-Fuge oder dem bekannten „Hallelujah“ markante Höhepunkte. Das Orchester überzeugte abei sowohl in der Begleitung der Solisten und Chorsänger, als auch mit einer würdevollen Sinfonia und der pastoralen Pifa.

In der Reihe der Solisten konnten vor allem die Männerstimmen überzeugen: Tobias Berndts fundamentaler Bass, dem es doch zu keinem Zeitpunkt an baritonaler Finesse gebrach und der schlanke, unprätentiöse Tenor Christian Rathgebers, der sowohl in den Rezitativen als auch in den Arien mit Verve und Strahlkraft glänzte. Beide Sänger pflegten zudem das für Händels „Messiah“ unabdingbare Kunstenglisch, was ihrer Interpretation britische Eleganz und ansprechende Bildhaftigkeit verlieh, denke man nur an Rathgebers beginnendes Accompagnato „Comfort ye“ und Berndts finales „The trumpet shall sound“: Effekt ohne Affekt.

Dem entsprachen die Frauenstimmen leider nur partiell: Elvira Hasanagic (Sopran) verfügt zwar über eine Stimme mit berückender Strahlkraft, die auch über Schwächen im letzten Teil des Oratoriums hätte hinwegtrösten können, ließ bei ihrer englischen Diktion jedoch leider viel zu oft jenen ungepflegten texanischen Kaugummi-Akzent zu. Auch Dmitry Egorov vermochte nicht so recht zu überzeugen, kam sein Altus doch zuweilen äußerst feminin und ohne die wünschenswerte Leichtfüßigkeit daher.

Dennoch geriet dieser „Messiah“ im Frankfurter Dom zu einem lustvoll und lebendig musizierten Oratorium, das diesem nicht zuletzt der vielen solistischen, chorischen und orchestralen Höhepunkten wegen (und nicht nur im Händeljahr 2009 sicherlich überstrapazierten Werk…) einen neuen Glanz verleihen konnte.

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