Paffender Pfaffe gegen kernigen Kommunisten: Don Camillo & Peppone als Puppentheater
NEUSTADT – Giuseppe Bottazzi? Ist das nicht der kommunistische Bürgermeister, der gegen Don Camillo kämpft? Wo war das noch mal? Richtig: In Brescello in der Po-Ebene. Jedem sind Fernandel und Gino Cervi zumindest aus den fünf legendären Filmen in Schwarzweiß bekannt. Der Puppenspieler Markus Dorner hat die Geschichten um Don Camillo und Peppone jetzt hinreißend adaptiert und im Herrenhof in Neustadt-Mußbach äußerst gelungen Premiere gefeiert.
Schon vor Beginn gibt es was zu sehen: Wie im Film, der zuerst eine Totale des Dorfes zeigt, kann sich das Publikum in die liebevolle Silhouette des italienischen Dorfes in der Emilia-Romagna einfühlen – unter textilem, strahlend blauen Himmel natürlich. Und wie auf der Piazza Matteotti vor Ort radelt Markus Dorner als Marco, treuer Kirchen- und gleichzeitig Gemeindediener, um die Guckkasten-Bühne herum, grüßt den Dottore, flirtet mit der deutschen Touristin und verbreitet mediterranes Flair.
Der Puppenspieler hat sich der Geschichte(n) gemeinsam mit Tristan Vogt, der auch Regie führt, spürbar begeistert angenommen und sie umso behutsamer für die Puppenbühne bearbeitet: Die Filmkulisse von Brescello, das im Roman von Giovanni Guareschi Boscaccio heißt, wird hier zu Pulcinella und die Kirche zu St. Barilla – ein bisschen Klischee muss schon erlaubt sein.
Auch die Geschichten, die Guareschi erzählt, sind sorgfältig ausgewählt und miteinander verknüpft. Im Original gibt es eine Szene, in der Peppone sein Kind auf den Namen Lenin taufen lassen will und Don Camillo ihm dies mit dem Argument verweigert, morgen komme er dann mit einem Ochsen. Dorner hat diesen Handlungsstrang geschickt mit einer anderen Geschichte verknüpft und lässt Peppone – die Puppe gleicht dem „Original“ im Film aufs Barthaar genau – nun tatsächlich die Taufe für ein Lamm erbitten, das eine flugs geschmiedete rot-schwarze Koalition vor dem Hungertod gerettet hat, weil die kommunistische Rotte den Hof des reichen Pasotti bestreikt. Echte Fans wissen Bescheid…
So begegnet Dorner gekonnt der Gefahr des reinen Nacherzählens, das ja sofort am cineastischen Vergleich scheitern würde. Hier hingegen funktioniert die Wiedergabe, weil sie sich die nötigen Freiheiten nimmt. So wird dem Autor Guareschi in Pulcinella ein Denkmal errichtet, das dann wiederum eine Rolle in einer „echten“ Geschichte um Don Camillo und Peppone spielt, die fast im Kleinkrieg mit dem Nachbardorf mündet.
Die Dialoge des Priesters – als Puppe ausgerechnet rot(!)haarig – mit seinem obersten Dienstherrn, die im Roman eine große Rolle spielen, kommen hier (wie im Film) als kleine, aber feine Pointen daher: Die Stimme Christi ist mit Hall unterlegt, was die nötige akustische Distanz zum aufbrausenden Talent des streitlustigen Don Camillo schafft.
Immer wieder greift Dorner selbst als „Marco ex machina“ ins Geschehen ein und tritt vor sein Publikum, denn als Diener beider Herren lenkt er die Streikposten (im Publikum) ab, damit Don Camillo und Peppone Pasottis Tiere versorgen können. Und nicht nur hier werden die Zuschauer zu Komparsen: Drei dürfen an einer Testwahl zum Bürgermeister teilnehmen und gleich zu Beginn verteilt „Marco“ an die rechte Hälfte Gesangbücher und an die linke das Kommunistische Manifest.
Die Ausstattung von Ralf Wagner ist pfiffig und detailverliebt, ohne zu übertreiben. Im Stall von Pasotti treten natürlich Ochs und Esel, Kuh und Lämmlein in persona an und in der Geschichte, in der Don Camillo wildert, knallt er tatsächlich den von Hund Struppi aufgespürten Hasen im vollen Lauf ab. Die Bürger von Pulcinella treten hingegen als Pappkameraden in der Dorfsilhouette auf und schaffen so ein kleines (Figuren-) Theater im Theater.
Wie im Film schmaucht der kirchliche Connaisseur seine Zigarre, die auf der Puppenbühne – natürlich! – richtig qualmt. Hier erlaubt sich Dorner gekonnt eine aktuelle Pointe: „Die Kirche wird ja in Deutschland immer mehr zum Privatclub – und in solchen darf ja bekanntlich geraucht werden.“ Frisch, fromm und frei bekennt der paffende Pfaffe, er habe ja nichts gegen die Roten: einen Lambrusco oder Chianti tränke er gern…
So durchlebt das Publikum in gut 70 Minuten die Querelen um den neuen kommunalen Kindergarten, den Streit um den rechten Gang von Rathaus- oder Kirchturmruhr, Volksabstimmung und die Kraft des Gebets. Das letzte Wort im Streit zwischen Choral und „Internationaler“ aber hat weder die Kirche noch die Partei: Der Gekreuzigte selbst beendet den burschikosen Bühnenzauber um Wilderei, Nottaufe und Glockengeläut recht passend: „Wenn es Euch gefallen hat, hängt es an die große Glocke und wenn nicht, beichtet es mir.“ Ergo: Bimbam, dingdong und klingeling!