Ingo Börchers stellt zynische Fragen und gibt warmherzige Antworten
Sein aktuelles Programm heißt „Wissen auf Rädern“. Damit tourt der Bielefelder Kabarettist über die Kleinkunstbühnen und macht ihm dadurch alle Ehre. Wirklich klüger wird man an einem solchen Abend nicht – aber unterhaltsam ist das Programm allemal.
„In der plastischen Chirurgie arbeiten Ärzte ohne Grenzen. ‚Alles kann, nichts muss‘ – was früher das Motto mancher Swinger Clubs war, ist hier mittlerweile der hippokratische Eid.“ Ingo Börchers pfiffiger Sprachwitz hat Qualität und unterscheidet sich auffallend von der Hau drauf-Polemik mancher Comedy-Kollegen.
Wissen ist Macht, weiß auch Börchers. Die halbe Miete sei jedoch das Vortäuschen von Gedankenreichtum. Das sagt einer, der als Primaner mit der „Zeit“ unterm Arm über den Schulhof ging und somit beim Deutschlehrer ausgesorgt hatte. Und das wüssten auch die Politiker, bei denen oft „nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht“.
Börchers‘ Programm ist ein Rundgang durch das Absurditätenkabinett der deutschen Sprache, vorbei an „Winterreifen zum Schleuderpreis“ und dem „Pro-Kopf-Verbrauch an Klopapier“: „Die EU-Verordnung über den Import von Kondomen hat 25.000 Wörter – das nenne ich mal Reiterei auf Gummiparagraphen!“ Gewitzt bürstet er die Pisa-Studie gegen den Stich: Nicht das Wissen zähle, sondern wo man es finde. Und so ist „Wissen auf Rädern“ eine „Suchmaschine mit sozialer Kompetenz und die Erde eine Google“.
Von der Schule fordert er statt Bruchrechnung lieber 1.000 legale Steuertricks und statt des Rattenfängers von Hameln die Erklärung, wie man einen Maustreiber von Microsoft installiert. Nicht nur seine aus Abneigung gegenüber der Mathematik entstandene Geschichte über die Gerade, die als genickter Winkel im Schulbuch endet, kann sich hören lassen.
In „Zeiten von Bush II, Hartz IV und Benedikt XVI“, wo Schillers „Glocke“ mittlerweile als kompakter Vierzeiler per SMS-Chiffre verschickt werde, schlittert er durch den Übergang von der Produktions- zur Wissensgesellschaft und tangiert dabei die Themen, die er anfangs einem Maschinengewehr gleich in einem Bandwurmsatz von monumentalem Ausmaß herunter rattert.
„Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage“, umschreibt er das vermutete Motto der Staatslenker: „Ein vielversprechender Politiker eben etwas vollkommen anderes ist als ein viel versprechender Politiker.“ Börchers aber ist beides: Vielversprechend und viel versprechend – und mit seinem aktuellen Programm auch viel haltend.