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Jess Jochimsen erzählt Geschichten

MAINZ – So ganz schlau wird man nicht aus dem ansonsten recht vergnüglichen Abend mit Jess Jochimsen und Sascha Bendiks, die derzeit mit ihrem Programm „Das wird jetzt ein bisschen weh tun!“ aus Texten, Dias und Rock ’n’ Roll durchs Land touren und damit auch im Mainzer Unterhaus Station machten. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht nötig?

Denn einen roten Faden haben die beiden gut zueinander passenden, frech feixenden Jungs da oben auf der Bühne gar nicht im Sinn. Es wird munter drauf los geplaudert, ein bisschen philosophiert, eine Prise Kirkegaard eingestreut, ein paar Verse Rilke zitiert, dann wieder ein Text vorgelesen, ein Lied gesungen.

Hat sich Jess Jochimsen in früheren Soli dem Kindheitstrauma (s)einer Jugend in den 70ern und 80ern gewidmet, ist dieser zeitliche Rahmen mit „Das wird jetzt ein bisschen weh tun!“ einer thematischen Beliebigkeit gewichen, die zwar genügend Raum für frische Improvisationen birgt, jedoch auch schnell ins leicht Banale zu kippen droht.

Dieser Gefahr sind sich die beiden Protagonisten, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen und auch genügend Raum lassen, sie in scharf angeschnittene Pointen zu verwandeln, aber durchaus bewusst – und sie spielen damit wie zwei Bengel, die auf dem Geländer einer Eisenbahnbrücke spazieren gehen.

Kleine politische Seitenhiebe setzt es mit der Geschichte des bayerischen Tresen-Urgesteins Strunzenecker, der sich nicht für Hitler schämt, wohl aber dafür, dass dieser auf der A8 zwischen München und Augsburg weiland einen Standstreifen einzurichten vergaß.

Auch Jochimsen und Bendix wollen rebellieren und dagegen sein. Wogegen, ist dabei nicht so wichtig. Zum Beispiel gegen das Rauchverbot! Da zünden sie sich auf der Bühne lässig die Fluppen an und legalisieren ihren Widerstand: Auf der Bühne sei es erlaubt zu rauchen, wenn es die Dramaturgie dringend erfordere – und das tue sie jetzt: „Ich halte Nichtrauchen für eine perfide Art der Steuerhinterziehung; was dem Staat dadurch entgeht, da ist Liechtenstein ein Dreck gegen“, merkt Jochimsen nach einem tiefen Zug an und referiert über das frühere „Tabaktrinken“: „Die Revolution von 1848 hat erstritten, dass in der Öffentlichkeit geraucht werden darf – und die Demokraten von heute vergeigen das wieder.“

Manchmal sind es auch nur einzelne Sätze, die das Publikum zum Johlen bringen; da sagen die Eltern: „Wir sind nicht böse, Junge, nur enttäuscht.“ Oder ein Knabe druckst herum: „Das war vorher schon kaputt.“, während die erste Freundin postuliert: „Du darfst mich küssen, aber ohne Zunge“, um nachher ein „Wir können ja gute Freunde bleiben“ nachzuschieben. Irgendwie hat jeder diese Worte schon mal gehört oder gesagt und verbindet eigene Erinnerungen damit.

Solche und andere Geschichten erzählt Jess Jochimsen, während Sascha Bendiks an Klavier und Gitarre der musikalische Part zukommt. Die Lieder sind verstörend, oft sinn- und gelegentlich geschmacklos – auch im Sinne von einfach fade. Dafür geraten die beiden leider viel zu kurzen „Dia-Abende“ mit hohlspiegelreifen Schnappschüssen vom Laster der Firma „Stiefvater – Entsorgungsbetriebe“ oder Schildern wie „Toiletten für Lehrerinnen und Behinderte“ zu optischen Leckerbissen.

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