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Aus Bekümmernis wird Zuversicht: Mainzer Domkonzert mit Brahms-Requiem und Bachkantate

Wie eine Welle des Vertrauens bricht das Forte im zweiten Satz des Deutschen Requiems über das Publikum herein; Domkapellmeister Mathias Breitschaft hat es langsam aufgebaut und in einem berauschenden Crescendo dann gleichsam zur Explosion gebracht: „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras, und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen.“ Der von Brahms vertonte Luther-Text spricht trotzdem von Zuversicht, denn eine Totenmesse ist dieses Requiem nicht.

Breitschaft verfügt in diesem Konzert über einen großen Chor: Mehr als 100 Stimmen aus Domkantorei St. Martin, Domkammerchor, Domchor (Männerstimmen) sowie dem Vokalensemble des Mädchenchores am Dom St. Quintin bilden den Klangkörper, dem das Mainzer Kammerorchester zur Seite steht.

Vor Konzertbeginn befällt einen ob dieser Masse in puncto Transparenz und Textverständlichkeit eine gewisse Furcht. Die verfliegt jedoch bereits mit dem ersten Einsatz: „Selig sind, die da Leid tragen.“ Der große Chor überrascht mit Homogenität und meist klarer Diktion, folgt den dynamischen Abstufungen ihres Dirigenten sicher und aufmerksam. Und so wird aus diesem Brahms-Requiem ein berückendes Glaubensbekenntnis.

Ruhig der Beginn, mutig überzeugend der dritte Satz „Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss“, leicht und geschmackvoll das „Wie lieblich sind Deine Wohnungen“ und warmherzig tröstend der von Mezzosopran Katharina Wollitz intonierte Satz „Ihr habt nun Traurigkeit“, bevor der Chor zuversichtlich weiter marschiert: „Denn wir haben hier keine bleibende Statt“.

Erneut holt Breitschaft mit großer Geste aus, lässt den glänzend aufgelegten Bassbariton Berthold Possemeyer die „Zeit der letzten Posaune“ ankündigen und den Chor in einem atemberaubenden forschen Fortissimo dem Tod eine Absage erteilen: „Wo ist dein Stachel?“ rauscht die rhetorische Frage über einen hinweg – ohne Brüllen, ohne Überanstrengung. „Selig sind die Toten“, schließt der siebte Satz friedvoll. Keine Frage: Diese Interpretation ist dank ihrer Überzeugungskraft wohl über jeden Zweifel erhaben.

Dass der Chor durch seine Stimmgewalt das Mainzer Kammerorchester gelegentlich überrollte, ist schnell verziehen, durften die Musiker zuvor doch mit einer der wundervollsten Kantaten von Johann Sebastian Bach ihr Können unter Beweis stellen: „Ich hatte viel Bekümmernis“ heißt es im Eingangschor von BWV 21.

Hier komplettierte der für den erkrankten Martin Erhard kurzfristig eingesprungene Tenor John Pierce das Solistenterzett mit frischer und kerniger Stimmführung. Die mehrstimmigen Partien meisterte der Domkammerchor klangschön und harmonisch, wobei das Mainzer Kammerorchester sowohl im Tutti als auch solistisch mit Helmut Menzler (Violoncello) und Liviu Varcol (Oboe) sich einmal mehr als angenehmer Partner erwies. Besonders die lautmalerischen Partien sowie der klagende Impetus, der sich im Werkverlauf in beglückte Zuversicht wandelt, wurden ansprechend umgesetzt.

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