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„Eine gute Cuvée zu machen ist die höchste Kunst“

Frau Bretz, warum liegt man falsch, wenn man denkt, die Winzer würden für eine Cuvée ihre Keller aufräumen?

Victoria Bretz: Tatsächlich begegne ich bei Weinproben sehr oft diesem Vorurteil. Dann erkläre ich gerne, dass es natürlich eine Kunst ist, einen sortenreinen Wein gut auszubauen. Aber eine noch größere, vielleicht die höchste Kunst ist es, eine Cuvée zu gestalten. Klar handelt es sich hierbei um ein Vermischen, einen Verschnitt verschiedener Rebsorten. Ich spreche dabei lieber von einer Komposition, um hier mal ein netteres Wort zu gebrauchen. Man kann das, denke ich, ganz gut mit einem Kunstwerk vergleichen, bei dem man ja auch vorher gut überlegt, was man aufs Papier bringen möchte. Genauso ist es bei einer Cuvée. Da fragen wir uns vorher: Was will ich eigentlich später im Glas haben? Da haben wir dann schon ein bestimmtes Bild vor Augen.

Ich erlebte bei einem gesetzten Abendessen vor Jahren mal folgende Situation: Meine Tischnachbarin schüttete roten und weißen Wein zusammen und erklärte, das würde sie zuhause immer so machen. Dieser Schock wirkt bei mir bis heute nach. War das auch eine Cuvée?

Victoria Bretz: (lacht) Im Prinzip schon. Aber wir gehen da eher zielorientiert vor. Wir mischen also nicht drauf los und schauen, ob was dabei rauskommt, sondern wir haben ganz klare Vorstellungen davon, wie die Cuvée nachher schmecken soll. Dem versuchen wir dann, uns immer weiter anzunähern.

Was dabei jeweils herauskommt, füllen Sie sehr erfolgreich in Flaschen. Was haben Sie denn im Angebot?

Victoria Bretz: Wir haben zwei Linien. Eine davon sind unsere Saison-Cuvées, die wir schon ewig im Angebot haben. Nehmen wir mal den Weißen, unseren Fleurant – die Idee dafür hatten schon meine Eltern vor über 20 Jahren: Wir wollten da einen frischen Sommerwein, einen Terrassenwein, fruchtig und easy drinking. Das war der Grundgedanke. Die Frage war nun, wie kriegen wir das hin?

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Victoria Bretz: Der Fleurant besteht aus drei Rebsorten: Sauvignon Blanc, Weißburgunder und Riesling. Wir wollten ja einen fruchtigen, spritzigen Sommerwein. Der Sauvignon Blanc ist sehr aromatisch und hat diese exotischen Fruchtnoten. Der Riesling hat eine gewisse Säure, macht die Cuvée also spritzig, bringt Citrusaromen mit und sorgt für Frische. Der Weißburgunder hat Körper und Schmelz und rundet die Mischung dann ab, fungiert sozusagen als verbindendes Glied zwischen den anderen beiden Rebsorten. Beim Fleur de Rosé haben wir Dornfelder für die Farbe, das Superfruchtige des Portugiesers und Merlot mit seiner Tannin-Struktur für den Nachhall. Als zweite Linie haben wir Cuvées, die es das ganze Jahr gibt: Sie heißen ganz einfach bretz weiß und bretz rot: unsere Alltagsweine einmal aus Riesling, Weißburgunder und Chardonnay und einmal aus Cabernet Sauvignon, Sankt Laurent und Spätburgunder, wobei der rote auch ein bisschen Holz bietet.

Cuvées sind also keinesfalls der Tatsache geschuldet, dass man zu viel von einzelnen Weinen hat?

Victoria Bretz: Nein, wenn man es richtig und überlegt macht, entsteht bei einer Cuvée ja ein eigener, neuer Wein. Man spricht ja oft davon, dass Winzer ihre Weine kreieren. Bei einer Cuvée trifft es das eigentlich am besten. Sortenreinheit ist natürlich was Tolles. Aber es bestehen hier dann doch gewisse Grenzen, die man mit einer Cuvée zumindest fließender machen kann. Jede Rebsorte für sich genommen hat ja Stärken und Schwächen. Eine Cuvée konzentriert sich auf die individuellen Vorzüge und führt sie zusammen.

Dennoch erhöht eine Cuvée ja das Angebot und damit die Absatzchancen.

Victoria Bretz: Zum Stichwort Vermarktung kann ich berichten, dass die Händler, mit denen wir zusammenarbeiten, und natürlich auch unsere Kunden sich richtig darauf freuen, wenn unsere Saison-Cuvées abgefüllt werden. Und man kann natürlich durch einen kleinen Teil einer Rebsorte – nehmen wir mal den Sauvignon Blanc – Neugier auf die sortenreine Variante wecken. Eine Cuvée kann also auch unter Marketinggesichtspunkten hilfreich sein.

Es gibt französische Cuvées, da sind 15, 16 verschiedene Rebsorten drin! Die stehen aber nicht auf dem Etikett. Gibt es bei Cuvées eigentlich irgendwelche weingesetzlichen Rahmenbedingungen?

Victoria Bretz: Grundsätzlich gilt: Es darf nur das drin sein, was draufsteht. Und bei unseren Cuvées steht Cuvée drauf. Wobei man ja prinzipiell auch beim sortenreinen Wein 15 Prozent einer anderen Rebsorte oder eines anderen Jahrgangs hinzufügen darf. Für die Cuvée gilt: Die einzelnen Sorten müssen aus einem Land und einem Anbaugebiet kommen. Was die Menge der Rebsorten und ihr Verhältnis betrifft, bin ich bei einer Cuvée aber vollkommen frei. Alles kommt aber aus unserem Weingut und konzentriert sich auch immer auf einen Jahrgang.

Gibt es eigentlich Rebsorten, die sich besonders gut oder überhaupt nicht für eine Cuvée eigenen? Und was funktioniert besser: weiß oder rot?

Victoria Bretz: Beides geht gleich gut. Unsere Kunden haben ein bisschen mehr Spaß an unseren Weißwein-Cuvées. Aber woran das liegt, weiß ich nicht. Vielleicht, weil es eben frische Sommerweine sind, also eine Zeit, wo man öfter einen frischen Wein trinken will. Und was die Eignung betrifft, hängt alles von der Frage ab, was man am Schluss im Glas haben will und wie einem die jeweiligen Rebsorten hier helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Wie Sie die Cuvée jeweils komponieren, soll natürlich Ihr Betriebsgeheimnis bleiben. Aber wie darf man sich das denn vom Procedere her vorstellen?

Victoria Bretz: Wir haben verschiedene Tanks mit verschiedenen Rebsorten aus verschiedenen Weinbergen mit zum Teil auch unterschiedlichem Boden oder Mikroklima. Jeder Wein hat also ganz eigene Charakteristiken. Wenn wir jetzt unsere Weißwein-Cuvée Fleurant machen, nehmen wir von jedem Tank eine Probe und schauen, inwieweit er dem uns ja bekannten Profil des Zielweins dienlich ist. Wir wissen, was wir wollen und der Kunde weiß, was er kriegt. Wobei wir ja keine Coca-Cola-Hersteller sind und ein Rezept haben – jeder Jahrgang ist ja ein bisschen anders. Wir suchen uns also aus den verschiedenen Tanks die passenden Weine aus und stellen erstmal im kleinen Maßstab verschiedene Varianten her. Und dann wird probiert, wofür das Urteil aller Familienmitglieder gefragt und wichtig ist – inklusive meines 84-jährigen Opas. Und daraus entsteht dann die perfekte Mixtur.

Wie verbinden sich denn die einzelnen Geschmäcker?

Victoria Bretz: Damit der Wein homogen wird, muss er vermischt werden. Es reicht nicht, die einzelnen Weine nach und nach in den Tank zu pumpen. Das Vermählen funktioniert bei uns tatsächlich mit einem Rührgerät – wie wenn man verschiedene Farben miteinander mischt.

Und verändert sich der Geschmack einer Cuvée nicht auch mit der Zeit? Das könnte sich dann ja vielleicht auch zu Lasten der ursprünglichen Idee entwickeln?

Victoria Bretz: Das ist nicht auszuschließen, da unterscheidet sich eine Cuvée nicht von sortenrein ausgebauten Weinen. Hauptaspekt ist immer die Alterung und das betrifft alle verwendeten Rebsorten gleich. Dass der Wein seinen Charakter aber komplett ändert, ist eher unwahrscheinlich, denn solche Weine, vor allem weiße und Rosé, sind ja mehr oder weniger für den baldigen Konsum ausgelegt. Unseren Fleurant gibt es zum Beispiel auch nur von April bis August, der ist dann auch rasch ausverkauft und alle freuen sich dann schon wieder aufs nächste Jahr. Mit ihm kreieren wir also ein klar definiertes Saisonprodukt, was auch in der Saison konsumiert werden sollte. Unsere Rotwein-Cuvées kann man sich durchaus auch etwas länger in den Keller legen.

Das Weingut Bretz in Bechtolsheim ist nicht nur wegen seiner Weine einen Besuch wert: Allein schon die Räumlichkeiten, in denen die freundlichen Mitarbeiterinnen zum Probieren einladen, sind ein Erlebnis. Weitere Informationen zum Weingut unter https://www.weingutbretz.de/.

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