Auf die Gesundheit!
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Wein und Gesundheit? Auf jeden Fall existieren weltweit zahlreiche Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Sie kommen zu verschiedenen Ergebnissen, haben aber auch Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel das Postulat, Wein moderat zu genießen, wobei man das durchaus getrennt betonen sollte: Weniger ist hier stets mehr und der bewusste Konsum ist ebenso wichtig. Darüber hinaus liefern die Studien aber spannende Einblicke in die Wechselwirkung zwischen Wein, Körper und Psyche.
Die schlechte Nachricht zu Beginn: Auch wenn er in der Antike als solche eingesetzt wurde, ist Wein keine Medizin und kann somit auch weder vom Arzt verschrieben noch von der Krankenkasse bezahlt werden. Denn im Wein finden sich neben rund 80 Prozent Wasser, Zucker, Säuren, Farb- und Gerbstoffen in der Regel eben auch zwischen zehn und 14 Prozent Alkohol. Als gefährliches Zellgift greift er nicht nur die Eiweißsubstanzen der Zellstrukturen an, sondern auch das Erbgut. Dass zu hoher Alkoholkonsum physisch wie psychisch abhängig machen und schwerste Schäden anrichten kann, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Beim Thema Wein & Gesundheit hat der Schweizer Arzt und Naturphilosoph Philippus Theophrastus Aureolus Bombast von Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus (~1493-1541) das erste und letzte Wort: „Wenn ihr jedes Gift wollt recht auslegen, was ist, das kein Gift ist? Alle Dinge sind Gift und nichts ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Dieser 1538 niedergeschriebene Satz trifft natürlich auf den Wein und den darin enthaltenen Alkohol zu. Denn zahlreiche Studien kommen auch zu dem Ergebnis, dass ein regelmäßiger, aber moderater Weingenuss positive Einflüsse auf die Gesundheit des Konsumenten haben kann.
Zu einem völlig anderen Ergebnis kamen jüngst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Sie sind der festen Überzeugung, dass jeder Tropfen Alkohol per se schädlich ist und fordern daher totale Enthaltsamkeit, was auch in Fernsehbeiträgen unter anderem mit dem prominenten Fernseharzt Dr. Eckart von Hirschhausen bekräftigt wurde. Auf die hier zugrundeliegenden Studien soll in diesem Artikel nicht weiter eingegangen werden, wecken sie doch den Verdacht, dass bei diesem Thema wissenschaftliche Evidenz und politischer Wille wetteifern. Zudem bleiben zu viele Fragen offen – unter anderem die finanzielle Einflussnahme auf die Arbeit der WHO durch die Vereinigung Movendi International (früher bekannt als Guttempler-Bewegung) oder die Verwendung einer Studie durch die DGE, die nicht auf deutschen, sondern auf kanadischen Erhebungen basiert.
Dem folgenden Kompendium der positiven Eigenschaften sei vorangestellt, dass sie nur dann eine Chance haben, wenn übermäßiges Trinken sie nicht konterkariert. Und uneingeschränkt gilt der Satz des Predigers Abraham a Sancta Clara (1644-1709): „Der Wein ist eine Medizin, wenn er aber ohne eine Manier getrunken wird, ist er ein Gift. Der Wein ist eine Erquickung des Herzens, wenn er aber ohnmäßig getrunken wird, ist er ein Tod der Seele.“ Eigentlich müsste diese Feststellung in jedem Absatz wiederholt werden, doch das würde nicht nur den Wein-, sondern vor allem den Lesefluss behindern.
Die Wissenschaft zieht bei der Menge eine recht scharfe Linie und empfiehlt Frauen, die Dosis von 20 Gramm Alkohol (was etwa 0,1 l Wein entspricht) täglich nicht zu überschreiten; Männer sollten nicht mehr als 30 Gramm, also 0,25 l zu sich nehmen, wobei man natürlich die individuellen Faktoren Alter, Gewicht, körperliche Konstitution und Gesundheitszustand nicht aus dem Auge verlieren sollte. Summiert man das, kommt man bei Frauen auf etwa eine bis anderthalb und bei Männern auf zwei bis zweieinhalb Flaschen pro Woche, die auch anders verteilt werden können, denn Mediziner raten ohnehin zu zwei bis drei abstinenten Tagen. Insofern muss die empfohlene Menge dem Genuss in geselliger Runde nicht unbedingt widersprechen.
Kommen wir also zu den positiven Aspekten des Weingenusses: Wein fördert die Durchblutung, wodurch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkte sinkt. Auch wirkt er sich positiv auf die Zusammensetzung der Blutfette aus und hilft (bei gleichzeitiger sportlicher Betätigung) beim Abbau des schädlichen LDL-Cholesterins. Verbesserte Blutfluss- und Gerinnungseigenschaften senken zudem die Gefahr für Thrombosen. Wie gesagt ist Wein keine Medizin, aber eine Art Elixier aus den natürlichen Inhaltsstoffen der Traube. Anthocyan und Resveratol sind Polyphenole, also sekundäre Pflanzenstoffe des Weins. Sie wirken antioxidativ, verlangsamen oder verhindern Zellschädigungen und können somit Krankheiten wie Krebs oder Demenz vorbeugen. Das Resveratol findet sich vor allem in Schale, Kern und Stiel der Traube und diffundiert gerade beim Rotwein während der Maischegärung auch in den Wein.
Zu hoher Wein- und damit Alkoholkonsum führt körperlich in der Regel kurzfristig zu Benommenheit und Kopfschmerzen, langfristig zu Übergewicht sowie Lebervergrößerung und kann Migräne und Allergien auslösen. Maßvoller Weingenuss hingegen steht für einen gesundheitsbewussteren Lebensstil. Zugegeben: Wer auf die im Rebensaft enthaltenen Vitamine und Mineralien hofft, muss einsehen, dass ein Glas Wein (und mehr soll es im Schnitt ja nicht sein) weniger als ein Fünftel des Tagesbedarfs daran deckt. Aber Wein mindert das Risiko der Bildung von Nierensteinen und kann Osteoporose, also die Entkalkung von Knochen, verlangsamen. Außerdem regt die Verdauung an und reduziert das Risiko, an Diabetes zu erkranken.
Neben den körperlichen Einflüssen spielen vor allem auch die psychischen eine Rolle. In Zeiten, in denen psychosomatische Erkrankungen zunehmen, trifft der lateinische Spruch „Mens sana in corpore sano“ (zu Deutsch: Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper.) natürlich auch umgekehrt zu: Seelische Ausgewogenheit beeinflusst auch das körperliche Wohlbefinden. Und hier kann wiederum der Wein eine Rolle spielen, denn er ist nicht nur Kulturgut, sondern auch Genussmittel. Einer britischen Studie zufolge sind Menschen, die in Gesellschaft und angenehmer wie stilvoller Atmosphäre Wein trinken, glücklicher und gesünder als andere. Ein stabiles soziales Umfeld vorausgesetzt, kann Weingenuss soziale Bindungen fördern, den Geist beflügeln und die Stimmung heben. Schließlich sagte schon Aristoteles (284-322 v. Chr.): „Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte.“
Zu Beginn wurde Paracelsus zitiert, er soll auch das Schlusswort sprechen, denn sein Leitspruch lautete: Alterius non sit, qui suus esse potest. Dieser aus einer Fabelsammlung des 14. Jahrhunderts stammende Satz heißt übersetzt: „Nicht von einem anderen abhängig mache sich, wer sein eigener Herr zu sein vermag.“ Wem das auch in puncto Wein gelingt, der konsumiert verantwortungsbewusst, wodurch auch die gesundheitsfördernden Aspekte des Weins zum Tragen kommen können. Und wenn man dann noch auf die Gesundheit des Gegenübers trinkt, hat er oder sie hoffentlich ebenfalls etwas davon.
Interessante Aspekte eines verantwortungsvollen Umgangs mit dem Genussmittel Wein finden sich auch auf der Seite der Deutschen Wein Akademie unter https://www.deutscheweinakademie.de/wine-in-moderation/initiative .