Pfump, Plöpp oder Krick?
Vor ein paar Jahren war er noch verpönt: der Schraubverschluss. Billig und stillos wurde die Alternative zum herkömmlichen Korken geschimpft. Das ist mittlerweile jedoch Vergangenheit: Immer mehr Winzerinnen und Winzer setzen auf die preisgünstigere und praktischere Alternative – schließlich braucht es keinen Korkenzieher mehr. In den letzten 15 Jahren hat es in Deutschland sogar einen radikalen Wechsel in der Verwendung von Verschlüssen gegeben.
Davon zeugt die Auswertung der DLG-Bundesweinprämierungen zwischen 2005 bis 2020: Anfangs dominierte der Naturkorken, dann kamen die Plastikpfropfen, heute hat der Schraubverschluss die Nase vorn. Das ist durchaus spannend, denn in der Gunst mancher Verbraucher mindert er noch immer das Weinerlebnis. Die Dominanz der Metallkapsel wuchs allerdings nicht ohne Grund: Die Qualität der gelieferte Naturkorken schwankte immens und immer wieder kam es zu Korkschmeckern. Ein Blick nach Australien und Neuseeland zeigte außerdem, dass man dort mit Schraubverschlüssen beste Erfahrungen gemacht hatte – und bis heute macht.
Bei Weißwein ist das auch hierzulande kein Problem: Lange gelagert wird er ja ohnehin nicht. Und die Temperatur hat dabei sehr viel größeren Einfluss als der Verschluss. Zwölf Grad Celsius lautet die Empfehlung: Je fruchtiger die Aromen, desto größer ist der Qualitätsverlust bei zu warmer Lagerung. Auch Temperaturwechsel können sich negativ auswirken: Starke Schwankungen führen zu einem Ausdehnen bzw. Zusammenziehen der Flüssigkeit, wodurch Luft in die Flaschen gelangt. Und dadurch kann es auch bei Schraubverschlüssen zur Oxidation führen. Nehmen wir daher mal die verschiedenen Verschlussarten unter die Lupe.
Rund 90 Prozent eines Naturkorkens bestehen aus luftgefüllten Einschlüssen, wodurch sich der Kork problemlos in die Flasche drücken lässt und diese gut, aber nicht luftdicht abschließt. Der minimale Luftaustausch mit der Umgebung lässt den Wein reifen. Immerhin wird noch der Großteil der weltweit abgefüllten Flaschen mit Naturkorken verschlossen. Zu Korkschmeckern kann es kommen, wenn er vom Baum geschält wird und schimmelt, wobei der chemische Stoff Trichloranisol entsteht. Auch der Kontakt mit chlorhaltigem Wasser beim Reinigen kann zu Korkschmeckern führen. Der traditionelle Verschluss aus Naturkork sollte aber ohnehin nur bei Weinen verwendet werden, denen eine lange Lagerung bevorsteht. Und das ist nur ein kleiner Teil aller verkauften Weine.
Auch wenn die Korkeiche (Quercus suber), deren Rinde der Lieferant für das Material der Naturkorken ist, sich immer wieder erneuert und somit mehrmals geerntet werden kann, wächst ihr Bestand in Portugal, Spanien und einigen Regionen Nordafrikas keineswegs so rasant wie die Weinproduktion. Auch muss eine Korkeiche 20 Jahre wachsen, bevor man sie zur Korkenproduktion ernten kann. Und Winzer sind ja nicht die einzigen Kunden der Anbauer. Also braucht es Alternativen.
Eine zum Naturkorken sind Presskorken. Sie werden aus Korkgranulat (durchaus aus recycelten Korken!) hergestellt und mit bestimmten Bindemitteln in Form gepresst. Ihnen sind ähnliche Eigenschaften wie den natürlichen Varianten gemein – im Positiven wie im Negativen. Durch die Größe der verwendeten Korkpartikel wächst allerdings das Risiko des Korkschmeckers, zudem können sich die verwendeten Bindemittel negativ auf die Sensorik des Weines auswirken. Vor allem aber sind sie preiswerter.
In Form gleicht dem natürlichen Korkverschluss der Synthetik-Korken aus lebensmittelgeeignetem Kunststoff. Er kommt dem Naturkorken sehr nahe, der Luftaustausch ist jedoch geringer. Rein äußerlich betrachtet spielt der Synthetik-Korken beim Ritual des Flaschenöffnens seine Rolle gleich gut, doch ist auch dieser Verschluss für eine längere Lagerung kaum geeignet, da die Gefahr besteht, dass er fremde Aromen an den Wein abgibt.
Bleiben noch zwei Alternativen: der Glaskorken und der Schraubverschluss. Die Variante aus Glas ist zu hundert Prozent geruchs- und geschmacksneutral, auch verschließt sie die Flasche komplett, was eine Oxidation des Weins verhindert. Da er auf der anderen Seite keinerlei Sauerstoffaustausch hat, können reduktive Töne entstehen. Der Nachteil: Glasverschlüsse sind extrem teuer und müssen aufgrund der Bruchgefahr per Hand auf die Flasche gesetzt werden.
Keine Frage: Der Glasverschluss ist schöner als der Drehverschluss. Aber der ist eben vor allem preiswert und praktisch. Er schließt die Flasche nahezu luftdicht ab und ist vollkommen geschmacksneutral. Eine Dichteinlage sowie eine Zinnschicht sorgen dafür, dass so gut wie kein Sauerstoff in die Flasche gelangt. Das Imageproblem des Schraubverschlusses kommt daher, dass solche Weine anfangs vor allem im Supermarkt oder Discounter zu finden waren. Er existiert seit den 1970er-Jahren. Dass heute immer mehr Winzerinnen und Winzer auch bei höherpreisigen Weinen auf den Schraubverschluss setzen, dokumentiert, dass dies keinesfalls Rückschlüsse auf die Qualität des Weines zulässt. Zudem täuscht bei 0,75-Liter-Flaschen eine Manschette oft den traditionellen Verschluss vor.
Fazit: Jeder Verschluss hat seine Vor- und Nachteile. Aber es ist eben auch viel Kopfkino dabei: Der eine schätzt das Praktische eines Schraubverschlusses, dem anderen fehlt die oft schon als rituell vollzogene Handlung beim Herausziehen und Beschnuppern des Korkens. Abschließend sei daher Altkanzler Helmut Kohl, wenn auch etwas abgewandelt, zitiert – schließlich regierte er vor der Bundesrepublik Rheinland-Pfalz und damit das am meisten Wein hervorbringende Bundesland: „Wichtig ist, was rauskommt.“ Er sagte zwar „hinten“, hier ist aber oben, also der Flaschenhals gemeint: Denn ist der Wein erstmal im Glas, ist ein Streit über den Verschluss hoffentlich rasch vergessen – vorausgesetzt natürlich, der Tropfen hat keinen Korkschmecker.