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Ab ins Beet!

Was die deutsche TV-Gemeinde am Sonntagabend macht, ist eigentlich klar: Tatort gucken. Zuvor teilt sie sich jedoch in zwei Gruppen: die Lindenstraße-Fans und die Hobbygärtner. Diese zappen eher zum Privatsender VOX, bei dem kurz vor der Primetime das Grün im Vordergrund steht – und zwar das ungezähmte, zuweilen wild wuchernde. Die TV-Formate „Ab ins Beet“ und „Die Beetbrüder“ gehören zum Genre der Doku-Soaps, aber hier sind echte Charaktere am Werk, die im richtigen Leben so sind, wie sie vor der Kamera agieren.

Werden bei „Ab ins Beet“ über mehrere Wochen Paare oder Freunde begleitet, wie sie im eigenen Garten handwerkeln, geht es bei den „Beetbrüdern“ darum, Familien unter die Arme zu greifen, denen ihr Garten buchstäblich über den Kopf wächst: Eine Woche hat ein dreiköpfiges Team Zeit, um aus der Wüstenei eine Oase zu machen – mit möglichst geringem Materialeinsatz, dafür mit vielen originellen Ideen und natürlich der eigenen Hände Arbeit.

Fachmann mit Leib und Seele
Ein Protagonist beider Formate ist Ralf Dammasch. Als Landschaftsgärtner arbeitete er angestellt und selbstständig, unterrichtete nach der Meisterschule als überbetrieblicher Ausbilder beim Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau in Essen und wirkte als Fachbereichsleiter einer Behindertenwerkstatt. Mittlerweile ist Dammasch Freiberufler – im Dienst des Senders VOX, wo er mehrmals im Jahr vor der Kamera steht: als Fachmann, der immer wieder interessante Gartenprojekte realisiert.

Doch wie kommt man zu einer solchen TV-Karriere? Wer Dammasch kennt – und das tun die Zuschauer nach ein paar Staffeln tatsächlich ein bisschen –, weiß, dass der sympathische Mann mit dem Schnauzbart und den selbsttönenden Brillengläsern alles andere als eine „Rampensau“ ist – im Gegenteil: eher das Pendant zu seinem Mitstreiter Claus Scholz (der mit den Fußball-Trikots). Wo dieser aufdreht und sich um Kopf und Kragen plaudert, ist Dammasch der ruhige und fachkundige Macher – ein liebenswürdiges Duo, dem man gerne beim Arbeiten zusieht.

Der Weg zum Fernsehen führte den Westfalen buchstäblich durch den (eigenen) Garten, denn Dammaschs sind seit rund 13 Jahren Besitzer des Reidelhofs vor den Toren der Kleinstadt Goch nahe Kleve am Niederrhein: 5.000 Quadratmeter Grund, das meiste davon grün. Mehrmals im Jahr werden hier die „Tage der offenen Gartenpforte“ zelebriert. Wie auch anderswo begrüßen dann gastfreundliche wie zeigefreudige Grünbesitzer Naturfreunde von nah und fern.

Viel zu entdecken
In Dammaschs Anwesen gibt es einiges zu entdecken: Da ist eine selbst gestaltete Ruine, da gibt es Kunst im Garten zu bestaunen, ein Schwimmteich lädt zum Bad, ein Zen-Garten zum Entspannen ein. Da lockt ein Senkgarten, im Bambuswald können Kinder versteckte Spielgeräte entdecken, es gibt eine Musikarena und sogar eine Erdsauna. Über allem thront das in der jüngsten Staffel von „Ab ins Beet“ errichtete Baumhaus. Das Grundstück in Feldrandlage ist tatsächlich ein kleines Paradies und selbst am „Tag der offenen Gartenpforte“ findet jeder Besucher ein Plätzchen, an dem er entspannen und die Seele baumeln lassen kann.

Das allerdings ist etwas, wozu Ralf Dammasch nun gerade nicht in der Lage ist: Einen Tag im Garten zu sitzen ohne etwas zu tun – für den rührigen Schaffer wäre das keine Erholung. Immer sieht er, wo etwas zu tun ist. Oder wo man etwas tun könnte, etwas anders machen, einreißen, neu bauen. Bevor Petra und Ralf Dammasch 2004 mit Tochter Emily den Reidelhof bezogen, wohnte man etwas „beengter“ – mit 80 Quadratmeter Garten. Um Passion und Beruf gleichermaßen nachzugehen, realisierte der Landschaftsbauer rund um Kleve zahlreiche Gartenprojekte. Doch irgendwann meldete die Familie ihre Ansprüche an. Ein entsprechendes Objekt war bald in Goch gefunden. Bilder von damals zeigen ein weites Brachland, wo heute buchstäblich blühende Landschaften einladen.

In diesen „Garten Eden“ hat Familie Dammasch nach eigenem Bekunden übrigens nur wenig finanzielle Mittel investiert, denn der Beruf des Landschaftsgärtners sorgte eigentlich immer für das gewünschte Grün. Und dank der TV-Prominenz muss man auch heute keine Pflanzen kaufen. Als im Gruga-Park in Essen Themengärten zurückgebaut werden mussten, sicherte sich Ausbilder Dammasch den heutigen Baumbestand des Reidelhofs, indem er seine Schüler die Bäume nicht fällen, sondern ausgraben ließ – schließlich stand das Ballieren ohnehin auf dem Lehrplan. Nachhaltigkeit atmen auch alle anderen Bereiche des Reidelhofs: Der Hausherr sammelt wertvolle Materialien wie Bodenplatten, Zaunelemente oder Fenster, die andere entsorgen wollen, und macht daraus etwas Eigenes, Neues.

„Der macht alles.“
Und genau so kam Ralf Dammasch zum Fernsehen: Ein Kollege machte den Sender VOX auf den Gärtnermeister aufmerksam: „Der macht alles.“ Stimmt: Seit der dritten Staffel – 2007 entstanden im Reidelhof besagte Ruine und Senkgarten – ist Dammasch dabei. Vor zwei Jahren ließ er sich von seinem Arbeitgeber freistellen, weil Job und TV-Karriere nunmehr schwer vereinbar waren, seit Oktober 2014 ist der Gartenbauer beim Sender unter Vertrag. Acht Mal im Jahr wirken die „Beetbrüder“ in fremdem Grün, weitere Drehtermine finden zuhause statt: Mal hilft Claus Scholz seinem Freund Ralf beim Baumhausbau, mal der Gärtner dem nach langem Biologiestudium als Eventmanager tätigen Scholz, seine Parzelle in der Bochumer Kleingartenanlage „Zum friedlichen Nachbarn“ auf Vordermann zu bringen. Jeder Hobbygärtner weiß: Es ist eben immer was zu tun.

Dass diese Gartensendungen so authentisch wirken, hat einen Grund: Es gibt kein Drehbuch. Man arbeitet und wird dabei gefilmt, unterhält sich, kommentiert zuweilen das Können des anderen – was später im Fernsehen läuft, sehen die Protagonisten erst am Tag der Ausstrahlung. Bloßgestellt wird hier keiner – höchstens liebevoll geneckt. Der aufmerksame Zuschauer kann bei allem Amüsement etwas lernen und vielleicht im eigenen Garten oder Heim realisieren.

Pädagogischer Aspekt
Dieser pädagogische Aspekt ist es, der dem früheren Ausbilder Dammasch an seiner aktuellen Tätigkeit am besten gefällt. Besonders in den „Beetbrüdern“ will der Landschaftsgärtner Hemmschwellen abbauen und zeigen, wie man einen Garten ansprechend gestalten kann, ohne gleich das davor stehende Eigenheim verpfänden zu müssen. Inwieweit die Familien dann in der Lage sind, die Beete selbst vom Unkraut frei zu halten, steht auf einem anderen Blatt. Die Frage, die Dammasch und seine Kollegen sich stellen müssen, wenn sie einen neuen Garten gestalten sollen, lautet: „Was kann man hier überhaupt machen?“ Denn sie betreten stets Neuland, das sie vorher noch nicht gesehen haben. Über das Ergebnis freuen sich die Eigentümer, über den Weg dahin die Fernsehzuschauer.

Gefragt nach seiner TV-Zukunft – Dammaschs Jahresverträge bei VOX sind abhängig von guten Einschaltquoten – träumt der Fernsehgärtner irgendwann von einer eigenen Sendung mit Akzent auf dem Gestalterischen. Doch auch, wenn er schon mal bei einer Folge vom „Perfekten Promi-Dinner“ dabei war – alles würde Ralf Dammasch denn doch nicht vor der Kamera tun: also weder bei „Let’s Dance“ tanzen, noch im australischen Dschungel um die Königskrone ringen. Wobei: Grün gäbe es da ja eigentlich genug…

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