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Vom Glück der potenzierten Pubertät

MAINZ. Aktuell tourt Deutschlands dienstältester Komiker Jürgen von der Lippe mit seinem neuen Programm „So geht’s“ durchs Land und zeigt, wie man auch als älterer Mensch – seine Worte – ein erfolgreicher Komödiant sein kann. Angst, hiermit agil-ergraute Konkurrenz zu zeugen hat er nicht, wie er im Gespräch mit Schreibwolff.de erzählt.

Schreibwolff: Nach dem „Besten aus 30 Jahren“ gibt es jetzt das „erste Programm der nächsten drei Dekaden“. Bleiben Sie sich und Ihren Fans treu oder müssen Sie sich und Ihren Humor immer auch ein Stück weit anpassen?

Jürgen von der Lippe: Nein, es läuft umgekehrt: Das Publikum muss sich dem Künstler anpassen.

Schreibwolff: Und das funktioniert?

Jürgen von der Lippe: Ja (lacht).

Schreibwolff: Was bei Ihnen besonders auffällt ist Ihre Fähigkeit, gerade Derbes mit einer akkurat geschliffenen Sprache zu goutieren, sodass daraus eine feine Pointe wird. Wie machen Sie das?

Jürgen von der Lippe: Ich weiß gerade nicht genau, von wem das Zitat stammt, aber sinngemäß sagt es, dass ein Genie die Fähigkeit hat, mehrfach zu pubertieren. Als ich das las, habe ich mich doch sehr wiedererkannt und war einen ganzen Tag lang sehr glücklich…

Schreibwolff: Erlebt der Zuschauer außer der Atmosphäre des Liveauftritts auch aktuelle Kommentare oder neue Nummern?

Jürgen von der Lippe: Neue Nummern nicht. Man hat nicht drei Jahre lang an einem Programm geschrieben um dann beliebig Teile auszutauschen. Aber wenn es sich anbietet, kommt jeden Tag etwas Neues dazu. Es gibt ja auch Stellen, an denen ich mit dem Publikum improvisiere, die dem Programm immer einen ganz eigenen Touch geben. Da gibt es dann schon Raum für Veränderungen.

Schreibwolff: Wollen Sie mit „So geht’s“ wirklich ältere Menschen animieren Komiker zu werden?

Jürgen von der Lippe: (lacht) Das darf man natürlich nicht ganz so ernst nehmen. Das ist eine Möglichkeit, das Programm zu strukturieren, die mir sehr nahe liegt. Ich habe ja jahrelang an der Universität Deutsch unterrichtet und diese Lehrerattitüde schafft natürlich Distanz zu den einzelnen Nummern und gibt ihnen gleichzeitig die nötige Fallhöhe; das müsste man sonst mithilfe dramaturgischer Verlangsamung machen. Aber wir leben ja im Zeitalter der Ratgeber und daher ist das Ganze natürlich sehr en vogue. Ich habe das nötige Alter und bin, glaube ich, der erste und einzige, der das so macht. Wobei in meinen Programmen ja immer drei Generationen sitzen. Insofern ist das Programm ein Angebot an jede Altersklasse, sofern sie in der Lage ist, die Dinge zu verstehen.

Schreibwolff: Das ermöglichen Sie Ihrem Publikum vor allem mit einer wirklich beneidenswerten Selbstironie. Wie wichtig ist das für Ihr Bühnenwirken?

Jürgen von der Lippe: Sehr wichtig – und das nicht nur auf der Bühne. Gerade wenn Sie älter sind, Gewichtsprobleme haben, wenn das eine oder andere Zipperlein dazu kommt. Das sind doch genau diese Geschichten, die jeder von uns im günstigsten Fall auf sich zukommen sieht – also wenn er nicht vorher stirbt. Diese Beeinträchtigungen, die das Alter einfach schon mal physiologisch mit sich bringt oder eigentlich jede Schwäche ist ein komisches Pfund, mit dem man wuchern kann. Über sich selbst lachen zu können macht souverän. Selbstironie kann man immer brauchen und ich kann das nur jedem wünschen, sie zu empfinden. Wer das nicht kann, sollte versuchen, sich das anzutrainieren.

Schreibwolff: Kann man das in Ihrem Programm auch ein Stück weit lernen?

Jürgen von der Lippe: In meinen Programmen können Sie nicht wirklich etwas lernen. Aber ich beschreibe die Dinge, wodurch sie schon mal eine gewisse Aufwertung erfahren. Marcel Reich-Ranicki hat mal sehr treffend den Unterschied zwischen guter und schlechter Literatur beschrieben: Gute Literatur reizt zur Interpretation. Wenn man etwas liest und hat überhaupt keine Lust darüber nachzudenken, dann ist das Schrott. Ich bringe die Leute zum Lachen – über mich und hoffentlich auch über sich selbst.

Informationen zum Künstler und Tourneedaten gibt es im Internet unter http://www.juergenvonderlippe.de.

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