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Mit allen Sinnen kochen

Molekularküche? Das ist doch das mit den Kügelchen, dem Dampf, Geschmäckern, die zwar munden, aber einen optisch erst mal irritieren: eine Erdbeere schmeckt nach Tomate oder umgekehrt. Und dennoch: Ein solcher Umgang mit Nahrungsmitteln ist kein Hexenwerk, sondern eher Spielerei.

Auf eben diesem Wege erfuhr dies eine Gruppe, die die Molekulargastronomin Ariane Buchwald ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus im rheinhessischen Saulheim eingeladen hatte. In einführenden Worten kündigte sie zwischen blubbernden Reagenzgläsern so manchen „Unfall im Kopf“ an. Und versprach damit nicht zu viel.

Ravioli aus Olivenöl? Eis, das nicht gefroren wird, sondern mit flüssigem Stickstoff auf Temperatur gebracht wird? Als Vorspeise Grapefruit-Filets mit Kaviarperlen, allerdings nicht aus Fischrogen, sondern aus Blue-Curaçao, Braunalgenextrakt und Calciumchlorid sphärisiert? Dabei ist jeder, der selbst die Kasserolle schwingt ein „halber Molekularkoch“, verrät Buchwald, denn jeder hat bereits Wasser zum Kochen gebracht, es eingefroren oder aus Kartoffeln Brei gemacht, die Knolle also „destrukturiert“, wie es im Fachjargon heißt.

Keine Frage, man lernt viel an diesem Abend – und hat viel Spaß, denn Buchwald, die nicht nur das Equipment mitgebacht, sondern auch die Zutaten gestiftet hat, lässt auch selbst experimentieren: Da wird Öl erhitzt und unter anderem mit Gelatine sowie Johannesbrotkernmehl zu einem Teig für die Ravioli ausgebacken, der mit dem -196 Grad Celsius kalten flüssigen Stickstoff abgekühlt wird.

Doch Vorsicht: Bei dieser Kälte drohen Verbrennungen, weswegen nur mit Schutzhandschuh und -brille „gekocht“ werden darf. Andere lassen aus einer Spritze, bei deren Anblick einem während des Arztbesuchs mulmig werden würde, die Algin-Curaçao-Mischung in eine Lösung tropfen, damit sie sich zu kleinen Kügelchen verkapselt. Kurz vor dem Servieren der Vorspeise wird aus Pfefferkörnern, Wasser, Lecithin und Maltodextrin „Gewürzluft“ produziert. Und wieder andere rühren für den Nachtisch aus Saft, Rohrzucker und Xanthan das Apfelgel für den Nachtisch zusammen.

Es schmeckt, macht aber nicht satt. Was auch nicht der Sinn ist, wie Buchwald den unzureichenden Nährwert erklärt: „Molekularkochen ist in erster Linie eine Show, die unterhalten und neugierig machen will.“ Das schafft sie und damit verdient sie ihr – auf traditionelle Art gebackenes? – tägliches Brot: Ariane Buchwald bereist von Saulheim aus die ganze Republik, tritt auf Messen auf, wird von Firmen für Events gebucht und bietet in Frankfurt-Sachsenhausen im entsprechenden Ambiente Kochkurse an. Hier gibt sie ihr Wissen über Aufschäumen, Gelieren, Verkapseln, Niedrigtemperatur- und Vakuumgaren weiter und hantiert mit Trockeneis, Texturen und eben ganz normalen Lebensmitteln: Als Hauptgang gab es in Saulheim nämlich Schweinebraten, Lammcarée und vegetarische Zucchini-Schiffchen mit Pilz-Auberginen-Füllung.

Zur Molekularküche kam Ariane Buchwald dabei eher durch Zufall: In der Gastronomie angelernt und dann zur zahnmedizinischen Fachangestellten ausgebildet schnupperte sie ins Grenzgebiet zwischen Küche, Physiksaal und Chemielabor hinein und fasste hier schnell Fuß. Ein gutes Feedback und wachsende Nachfrage führten zur Gründung des eigenen Unternehmens, erst in Berlin, dann in Saulheim. Im September kann man sie hier zur Kerb übrigens am eigenen Stand erleben: Dann wird sie an der eigenen Cocktailbar molekulare Drinks mixen…

Weitere Informationen gibt es im Internet unter http://www.molekulargastronomie.de.

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