Sorglos in Brandenburg – dank Friedrich dem Großen
Kaum hat man die Tore zu den weitläufigen Parkanlagen von Sanssouci durchschritten, passiert es: Obwohl einem kamerabehängte Gäste aus Fernost entgegen kommen und das quietschbunte Outfit des Kindes im modernen Buggy so gar nicht zur Welt von Barock und Rokoko passen will, ist man ihr hier doch näher als anderswo.
Sicherlich liegt es an der steinernen Allgegenwart Friedrich II., genannt der Große, der als aufgeklärter Preußenkönig in die Geschichte einging, Potsdam zur Residenzstadt machte, sich Sanssouci als Lustschloss bauen und somit ein Denkmal von pittoresker Pracht errichten ließ.
Vielleicht ist es aber auch nur jener Musikant, der in ein Wams aus purpurnem Samt, Pluderhosen, Gamaschen und Dreispitz gekleidet am Wegesrand steht und auf der Traversflöte einen munteren Bach spielt. Ist es nicht ein Stück aus dem „Musikalischen Opfer“?
Immerhin hatte es hier in Potsdam seinen Ursprung: Am 7. Mai 1747 wurde Bach von Friedrich II. in dessen Stadtschloss während der allabendlichen Kammermusik empfangen. Der König gab Bach ein Thema, über das dieser auf dem Fortepiano eine Fuge zu improvisieren hatte. Keine Frage, dass es gelang. Hieraus entstand dann das bekannte „Musikalische Opfer“.
1747 – da waren die Arbeiten am Sommerschloss im Stil des Rokoko, das Friedrich II. nach eigenen Skizzen anfertigen ließ, vorerst beendet. Erst nach rund 100 Jahren ließ Friedrich Wilhelm IV. das Schloss erweitern. Noch einmal 150 Jahre später erklärte die UNESCO Sanssouci mit seinen Schlössern und dem 290 ha großen Park zum Weltkulturerbe: „Schloss und Park von Sanssouci, oft als ‚preußisches Versailles‘ bezeichnet, sind eine Synthese der Kunstrichtungen des 18. Jahrhunderts in den Städten und Höfen Europas. Das Ensemble ist ein herausragendes Beispiel von Architekturschöpfungen und Landschaftsgestaltungen vor dem geistigen Hintergrund der monarchistischen Staatsidee“, hieß es damals in der Begründung.
Über den Park von Sanssouci, zu deutsch „Ohne Sorge“ vom französischen sans souci, und die zahlreichen Anlagen wie das Chinesische Haus, die Historische Mühle, Schloss Charlottenhof, Babelsberg und Cecilienhof, Belvedere, das Orangerieschloss oder das Dampfmaschinenhaus könnte man jeweils eigene Bücher schreiben, immerhin umfasst die Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft 20 Schlösser und Palais. Das Hauptaugenmerk liegt aber meist auf dem Prunkstück, Schloss Sanssouci, das mit seinen Weinbergterrassen in der Tat einen Höhepunkt darstellt.
Nach dem Hausherrn Friedrich II. sollten Kunst und Natur eine Einheit bilden, weswegen sich diese Harmonie auch in Lage und Gestaltung des Schlosses wieder findet. Wein wurde in der Mark Brandenburg schon seit dem 13. Jahrhundert angebaut und so nannte der König Sanssouci auch „mein Weinberghäuschen“. Im Januar des Jahres 1745 ordnete er den Bau eines „Lust-Hauses zu Potsdam“ an, das zwei Jahre später eingeweiht wurde. Immer wieder hatte sich der König in die Pläne des Architekten Georg Wenzeslaus zu Knobelsdorff eingemischt.
Friedrich der Große wohnte während der Sommermonate dort – übrigens nicht nur ohne Sorgen, sondern auch „sans femmes“, ohne Frauen: Seiner Gattin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern wies er Schloss Schönhausen bei Berlin zu. In Sanssouci residierte und regierte der König – und er komponierte, musizierte und philosophierte. Auf Äußerlichkeiten soll der Monarch übrigens keinen Wert gelegt haben und sich Reparaturen und Instandhaltungen innen wie außen nur widerwillig gefügt haben: Schloss Sanssouci sollte ihn nicht überdauern.
Zum Glück ist es anders gekommen. Immerhin konnte nach der Wiedervereinigung dem Letzten Willen des Königs entsprochen werden: In der Nacht des 17. August 1991, dem 205. Todestag des „Alten Fritz“, wurde der Sarkophag mit den sterblichen Überresten des Monarchen in der schon zu dessen Lebzeiten angelegten Gruft beigesetzt – neben seinen Lieblingshunden.
Nach dem Tod der letzten königlichen Bewohner wurde das Schloss zum Museum – anfangs im Besitz der Hohenzollern und ab 1927 in der Obhut der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten. Im Zweiten Weltkrieg blieb Sanssouci nahezu unzerstört und befindet sich seit 1995 unter der Verwaltung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.
Als größtes Schloss Potsdams hatte Friedrich der Große von 1763 bis 1769 zu Repräsentationszwecken das Neue Palais mit über 200 Räumen, vier Festsälen und einem Rokokotheater bauen lassen. Im Gegensatz hierzu mutet Schloss Sanssouci mit seinen zwölf Räumen für einen Königssitz geradezu bescheiden an. Das Schloss ist die Krönung der Weinbergterrasse und als langgestreckter eingeschossiger Bau ein Meisterwerk des friderizianischen Rokoko. Die Gartenseite zeigt reichlich plastischen Schmuck, die Rückseite beherrscht der im Stil der französischen Klassik gehaltene Ehrenhof.
Das Schloss selbst ist nur im Rahmen einer etwa 40-minütigen Führung zu besichtigen, zu der man sich entweder unter der Woche, auf jeden Fall aber an einem Vormittag entschließen sollte, da nachmittags die Warteschlangen erfahrungsgemäß recht lang sind. Der Mittelpunkt des prachtvollen Schlossinneren ist der Marmorsaal. Im Westflügel finden sich die Gästezimmer und darunter das „Voltaire-Zimmer“. Der französische Philosoph war langjähriger Gast am Hof Sanssouci und soll über Potsdam gesagt haben: „Athen und Sparta, Feldlager und Garten Epikurs, Trompeten und Violinen, Krieg und Philosophie.“ Sicherlich hielt er sich mit seinem Gastgeber auch im Ostflügel mit der prächtigen Bibliothek und dem Musizierzimmer auf.
Vorbild des Marmorsaals war mit seiner reich verzierten Kuppel das Pantheon in Rom. Das anschließende Audienzzimmer schmücken Gemälde des 18. Jahrhunderts und im Musizierzimmer beherrscht die überschwängliche Ornamentik des Rokoko, die Rocaille, Wände und Decke. Das bekannte Gemälde „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ von Adolf von Menzel aus dem Jahr 1852, das in der Alten Nationalgalerie Berlin zu sehen ist, gibt eindrucksvoll die feierliche Atmosphäre des Raums während eines der königlichen Konzerte wider: Friedrich der Große spielt Flöte und wird am Hammerklavier von Carl Philipp Emmanuel Bach begleitet, der ab 1740 Kammercembalist am Hofe des Preußenkönigs war.
Friedrich der Große war ein Freund der Musen, weswegen auch heute noch Kunst, Musik, Theater und Literatur eine große Rolle „bei Hofe“ spielen. Ein umfassender Veranstaltungskalender, den die Verwaltung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg auch im Internet ( www.spsg.de) anbietet, belebt die Anlagen von Sanssouci mit anspruchsvollen Konzerten, Lesungen, Führungen, Ausstellungen und Vorträgen. Tage der offenen Tür, Angebote für Schulen und Kindergärten, Opern und Musiktage ergänzen das Programm.
Für einen Euro erhält man am Automaten an den Haupteingängen einen Plan mit Routenvorschlägen und Erläuterungen. In die Wege eingelassene runde Eisenplatten erleichtern an vielen Wegkreuzungen die Orientierung. Dass man dennoch fast nie auf dem kürzesten Weg zum Ziel geführt wird, ist dabei eines der Prinzipien historischer Gartenkunst, die sich ohnehin besser abseits der Hauptwege erschließt.
Das Besucherzentrum der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg im ehemaligen Marstall aus dem 19. Jahrhundert (An der Orangerie 1 in 14469 Potsdam) informiert über Besichtigungsmöglichkeiten, Sonderausstellungen, Gruppen- und Einzelführungen, Verkehrsverbindungen und bietet darüber hinaus Publikationen und Kombinationskarten der Stiftung an (Telefon 0331 9694202, Öffnungszeiten: 1. März bis 31. Oktober: 8.30 bis 17 Uhr, 1. November bis 28. Februar: 9 bis 16 Uhr).