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Moussierende Satire-Cuvée

MAINZ (6. September 2010). So sieht die Schweizer Neutralität aus, wenn sie sich personalisiert: Andreas Thiel steht leger am Party-Tisch, ein Glas Sekt in der Hand und parliert über das Geschehen in der Welt, als ginge ihn das Ganze gar nichts an.

Dieses moussierende Getränk hat an diesem Abend tatsächlich etwas Sinnbildliches, denn während es in Kabarett-Kollegen ob des alltäglichen Polit-Wahnsinns gärt und sich die angestaute Wut mit einem lauten Korkenknall überschäumend entlädt, vermag es der Eidgenosse, ebendiese Themen ein wenig mehr aus der Distanz heraus zu betrachten: und zwar extra brut mit bekömmlicher Perlage.

Schnell schwingt sich Thiel zu einem intelligenten Höhenflug auf: „Comedy ist lustig, für Satire aber braucht man Humor“, sagt er maliziös: „Für Comedy braucht man allerdings…“, und guckt tief ins Sektglas. Die Cuvée, die Thiel an diesem Abend dem Zeltfestival-Publikum ausschenkt, hat es in sich. Dass er hierbei auch die Schweizer Politik(er) aufs Korn nimmt, beruhigt.

Die Diskussion ums Minarett-Verbot ist präsent: „Jetzt wollen alle abstimmen. Der Schweizer Bundesrat wird deshalb das Volk auflösen und neu wählen lassen – es gibt schon Bewerbungen anderer europäischer Staaten.“ Er selbst habe gegen das Verbot gestimmt, doch gefreut hat ihn der Ausgang denn doch: „Jetzt hat mal das Volk ein Gesetz gemacht, mit dem sich die Politiker herumschlagen müssen.“

Der wohl akzentuierte Duktus Andreas Thiels passt dabei hervorragend zu den beiden Musikern des Abends: Giovanni Reber an der Geige und der Pianist Michael Giertz sind das Baseler Duo „Les Papillons“. Und wie Schmetterlinge flattern sie durch die Partituren, denen sie in atemberaubenden Arrangements ganz neue Noten geben. Ihre Version von Led Zeppelins „Stairway to heaven“ überzeugt ebenso wie das Polit-Kabarett ohne Worte, in dem sie Vivaldis „Jahreszeiten“ mit Nationalhymnen und Fliegeralarm koppeln.

Höhepunkte des Abends sind natürlich die gemeinsamen Nummern von Thiel und „Les Papillons“: Musikalisch untermalte Nekrologe auf (noch lebende) Schweizer Politiker und Bad-Banker sind ja schon wunderbar garstig, doch der kabarettistische Umgang mit dem Frieden in Nahost ist ebenso frech wie pointiert.

Denn eines ist jetzt klar: Die Bombenstimmung im Gaza-Streifen wird noch größer, wenn sich die ersten Eskimos Löcher in die Wüste sägen, weil die sie Klimakatastrophe zwingt, sich im frostigen Klima zischen Israel und seinen Nachbarn anzusiedeln. Oder wie sagt Thiel so folgerichtig: „Ich bin Darwinist – für mich stammt der Mensch vom Urknall ab.“

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