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„annamateur und die Außensaiter“: zwei einfühlsame Musiker und eine Mordsstimme mit Gewicht

MAINZ – In einem Interview hat Anna-Maria Scholz, die über eine klassische Musikausbildung verfügt, mal gesagt, der Orchestergraben sei ihr zu niedrig zum Stagediving – und so steht sie jetzt auf der Kleinkunstbühne. Dass sie sich nicht ins Publikum schmeißt, werden ihr Zuschauer wie Mobiliar danken.

Anna-Maria Scholz ist anders. Erfrischend anders. Eigentlich phänomenal anders. Und diesem Phänomen nähert man sich am besten über einen Umweg: Da gibt es einen weiblichen Comedian mit mächtig Haaren auf den Zähnen und der heißt „Cindy aus Marzahn“ alias Ilka Bessin. Mit Wonne takelt sie sich gerne besonders unattraktiv „auf“ und wuselt mit Berliner Schnauze wie ein läufiges Trüffelschwein in den Niederungen des Humors. Was diese „Dame“ mit der Künstlerin „annamateur“, die derzeit im Unterhaus gastiert, gemeinsam hat?

Nun, auch Anna-Maria Scholz hat etwas, was andere Kabarettist(inn)en eben nicht haben. Und nur auf den ersten Blick sind das einige Pfunde mehr auf den Rippen. Da ist vor allem dieses ganz eigene Selbstbewusstsein, mit dem sie die Bühne ausfüllt – und das ihr jüngst sicherlich auch ein Stück weit den Deutschen Kleinkunstpreis 2008 in der Sparte Chanson und Lied eingebracht hat: Scholz, die sich kurz und bündig „annamateur“ nennt, scheint es egal zu sein, ob sie mit ihren Maßen in irgendeine Kategorie passt.

Und genau diese geistige Unabhängigkeit, gepaart mit teils humorvollen, teils respektlosen Liedern und einer beeindruckenden Stimme, die von schmachtendem Blues bis zum frechen Chanson, vom Rauchzarten einer Janis Joplin bis zur Röhre von Tina Turner reicht, macht Anna-Maria Scholz auf ihre Weise verdammt attraktiv.

Flankiert wird das dominante Alphaweibchen im aktuellen Programm „Walgesänge“ von den zwei brillanten Musikern Daniel Wirtz (an der Gitarre) und Stephan Braun (am Violoncello), die gemeinsam das Duo „Die Außensaiter“ bilden.

Braun traktiert sein Cello dabei mit geschickten Kunstgriffen und lässt es zuweilen zu einem tenoralen Schlagbass mutieren und Wirtz spaziert ebenso gefühlvoll über die Bünde seines Griffbretts. Wenn Anna-Maria Scholz ihre beiden devot dreinschauenden Bühnenpartner geflissentlich mit herrlich arroganter Missachtung behandelt und befiehlt: „Jetzt dramatisch!“, dann folgen sie ihr aufs Wort.

Aber wovon singt „annamateur“ eigentlich? Neben gut gemachten und selbstironisch vorgetragenen Coverversionen von Tom Waits-Songs sind es vor allem die eigenen Lieder: kleine Kabinettstückchen, die weit über das Chanson hinausreichen und sich leichtfüßig zwischen ernstem Anliegen und Karikatur bewegen: der „Bulimie-Swing“, ein jiddischer Tango, das Lied übers Chatten oder das Alleinsein zu zweit.

Manches erscheint auch in völlig neuem Licht, wenn Anna-Maria Scholz ihren mächtigen Schatten drauf wirft: Das zischende Röcheln einer Kaffeemaschine zum Beispiel kennt jeder. Aber hier wird daraus ein eigenes Lied gemacht und „annamateur“ mimt den Automaten so perfekt, dass man meint, das

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