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Sturm ohne echte Kraft

MAINZ (13. Dezember 2017). Seine Bühnenkarriere begann Arnulf Rating in der Kabarettgruppe „Die 3 Tornados“, die 1979 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis (Förderpreis) ausgezeichnet wurden; 1993 begann er als Solist und erhielt 2003 dafür abermals die begehrte Trophäe. Sein mittlerweile 13. Bühnenprogramm erinnert zumindest vom Titel her an die Anfangsjahre und heißt „Tornado“.

Die Geschmacklosigkeit der ersten Nummer liegt einem länger schwer im Magen als der Geruch nach Brathähnchen über den Köpfen des Unterhaus-Publikums schwebt. Aber der Reihe nach: Für die Eröffnung seines aktuellen Programms „Tornado“ hastet Arnulf Rating durchs Auditorium. Dank Bahn sei er zu spät und habe den ganzen Tag noch nichts gegessen, weswegen er sich auf dem Weg in den Musentempel ein halbes Hähnchen besorgt hat. Das mampft er nun und schwadroniert mit vollen Backen vom Wahnsinn der Massentierhaltung, um dann das halb aufgegessene Bratvieh im Bühnenmülleimer zu entsorgen. Wäre ja ohnehin kein Fleisch gewesen: „Nur Antibiotika, Stabilisator und Gummi.“

Gewohnt brachial fegt der Kabarettist durch sein Programm und schlägt mit seiner Atemlosigkeit eine Schneise durch seine Syntax. Ansonsten ist „Tornado“ aber über weite Strecken ein eher laues Lüftchen, denn Rating verliert sich im Altbekannten, so dass die abschließenden Pointen an Kraft verlieren. Die Austauschbarkeit des innerstädtischen Handels mit den immer gleichen Geschäften haben schon unzählige Kollegen vor ihm besungen. Rating geißelt die Lebensmittelkonzerne und die übergroße Auswahl: „Wir lieben unsere Freiheit – und unsere Ketten.“ Dabei führt er die Idee logisch weiter: „Die Discounter gestalten ihre Preise so, dass wir Mietenerhöhung und Rentenkürzung gar nicht bemerken.“

Das Markenzeichen dieses Kabarettisten ist gleichzeitig das Problem: Stets vorwärts pulsierend stürzt er fahrig durch seine Gedankengänge, was nicht nur den Zuhörer anstrengt, sondern zuweilen auch den Künstler selbst. Da strampelt er sich als flexibler Politikberater ab, der die Parteien marktwirtschaftlich betrachtet und den Wähler als Kunden. Rating mag dieses Rollenspiel und setzt es auch andernorts ein, aber gerade weil er so viel in sein Programm und die einzelnen Nummern packt, wirkt manches überladen.

Auch die „Presseschau“ fällt diesmal nicht ganz so bissig aus, was vielleicht daran liegen mag, dass jemand im Zug Ratings Koffer klaute, in dem sich die Zeitungssammlung mit den vielen schönen Überschriften und Schlagworten befand, aus denen er genüsslich zitiert. Ein paar Blätter hat er offenbar aufgehoben und kommentiert das Dilemma der SPD: „Man kann keine Faust bilden, wenn man überall die Finger drin hat.“ Die Rede ist von der „Reizwäsche Burka“ oder entlarvend vom geplanten Terroranschlag „auf unsere Strände“ im Ausland. Eigentlich ja gar nicht so schlecht – wenn nur dieser Geruch nach Brathähnchen nicht immer noch in der Luft läge.

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