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Humor, der zu Herzen geht

MAINZ (20. November 2024). Da stimmt man Axel Hacke zu: Es sind wahrlich mühsame Zeiten, in denen wir leben. „In den vergangenen Jahren“, schärft der Autor nach: „Nicht in den letzten.“ Über diese schwierigen Zeiten hat Hacke bereits zwei Bücher geschrieben: 2017 über den Anstand und 2023 über die Heiterkeit. Gerade sie ist es, die ihn antreibt, genährt von einer liebevollen Selbstironie, in der er seine Alltagsbetrachtungen bricht und dem Leser oder Zuhörer ermöglicht, sich darin zu spiegeln.

Auch an diesem Abend im Frankfurter Hof: Die Vorstellung ist ausverkauft und als Hacke die Bühne betritt, begrüßt ihn das Publikum wie einen guten, alten Freund. Wobei er im Verlauf der Vorstellung noch fragen wird: „Alt?“ Im Gepäck hat er Geschichten und Glossen aus seinem reichen Schaffen. Über 20 Bücher hat er in den vergangenen Jahren publiziert, schreibt regelmäßig für das Magazin der Süddeutschen und hat erst im September bei Dumont seine neuesten Gedanken veröffentlicht: „Aua! Die Geschichte meines Körpers“.

Doch bevor er sich sozusagen selbst aus der Hand liest, gibt es köstliche Alltagsbetrachtungen, die einfach guttun, denn in Tagen, wo einen die Angst vor dem Untergang packen könnte, braucht es doch dringend dieses Lichtlein, das von irgendwo herkommt. Hacke hat recherchiert: Von Rilke kommt es schon mal nicht, eher vom US-amerikanischen Nationaldichter Robert Frost. Oder noch besser: von Dragoslav Stepanovic, der von 1991 bis 1993 die Frankfurter Eintracht trainierte und quasi zur Halbzeit nach einem verlorenen Match und der damit verspielten Meisterschaft den legendären Satz sagte: „Lebbe geht wieder.“ Ihn hatte Hacke in seiner jüngsten SZ-Kolumne zitiert – ein Aufruf zum Optimismus.

Axel Hacke ist ein Autor, bei dem es sich lohnt zuzuhören – ob an der Oberfläche oder zwischen den Zeilen: Jedes Wort ist wohl gesetzt, ohne dass man den Sätzen die Arbeit anmerkt, die in ihnen stecken. Die Gedanken sind tiefschürfend, kommen aber auf leichten Füßen daher. Auch um sie geht es im neuen Buch „Aua“ (ab Seite 175). Als er das Vorwort rezitiert, wird es ganz still im Publikum. Hacke kann wie kaum ein Kollege Ernstes lustig erzählen und Lustiges ruhig verpacken. Seine Schilderungen sind oft loriotesk und die Diktion von Wörtern wie Knorpelschwund, Schwarzwälderkirschverzehr oder Skilifttoilette klingen wie Musik.

Aktuell geht es ihm also um den Körper, den er mitnichten als Grenze zur Welt versteht. Da Hacke sich eingestehen musste, seinen Körper, der ihn seit 68 Jahren umgibt, kaum zu kennen, hat er ihn und damit sich genauer unter die Lupe genommen. Im Frankfurter Hof geht es um das Knie, das ihn angeknackst durchs „Literarische Quartett“ trug. Und das Gedächtnis, das sich oft nur noch aus der outgesourcten Variante namens Internet speise – via Handy als weiterem Körperteil.

Verfall allerorten? Mitnichten. Hacke hebt den Zeigefinger, knirscht mit den Zähnen, fasst sich ein Herz und dreht einem eine Nase, geht also Glied für Glied seines Leibs durch. Und bei allem hat man das Gefühl, als schenke diese ehrliche Haut einem sein Ohr: Ob man ihn liest oder wie an diesem Abend live erlebt: Hacke ist immer Genuss und Gewinn gleichermaßen.

Axel Hacke: „Aua! Die Geschichte meines Körpers“ | 208 Seiten | DuMont Buchverlag | ‎ISBN 978-3832168094 | gebunden, 20 Euro

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