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Verbale Köstlichkeiten

MAINZ (21. November 2012). „Wärmen Sie gerauchte Makrelen Salate, Kirschrote Tomaten, hat Balsamische Reduktion Salatblätter angekleidet.“ So steht es wortwörtlich in einer Speiskarte eines irischen Restaurants. Und das ist für einen wie Axel Hacker natürlich ein gefundenes Fressen, dass er jedoch nicht blindlings verschlingt, sondern mit seinem Publikum Silbe für Silbe goutiert.

Zum General ist er natürlich ungeeignet, dieser Oberst von Huhn, den Axel Hacke da im Frankfurter Hof vorstellt und der seinem aktuellen Buch, in dem eben dieser Stratege zu Tisch bittet, den Titel gab. Denn der Militär ist in einen kulinarischen Skandal verwickelt und „breitet sich drastisch in einer Weißweincreme aus“. Während es ein deutscher Verteidigungsminister seinerzeit nur bis zum Pool brachte, fiel jener Oberst von Huhn der automatischen Online-Übersetzung einer Speisekarte des Finnstown Country House Hotel in Dublin zum Opfer und fristet seither sein Dasein als sprachlicher Labskaus.

Und genau darum geht es Hacke: Wie wird die deutsche Sprache verwurstet, wenn sie in Lokalen jenseits der Grenze auf den Tisch kommt? Gleich zu Beginn dankt der Autor seinen zahlreichen Lesern, die ihm mit stibitzten Menükarten, Notizen und Fotos des Corpus delicti aus aller Welt versorgen. Da ist der Coffee-Shop in München-Pasing, der den Passanten mit einer „Morgen-Latte to go“ ausstatten will, da ist das Lokal in Griechenland, auf dessen Karte „Onion rings“ eigentlich gar nicht mal falsch mit „Zwiebel ruft an“ übersetzt ist und in Ungarn sich ein Gericht namens „Drahthuhn“ als Truthahn entpuppte.

Dass der augenzwinkernde Beobachter irgendwann auch mal verbal zu Tisch bittet, war nur eine Frage der Zeit. Nach drei Büchern über den „weißen Neger Wumbaba“, in denen er falsch gehörten Liedtexten nachstöbert und zahlreichen Kolumnen, die das Missverständnis als Fundament der Ausführung haben, drängen sich „gefühlte Paprika“, „Frisbee-Salat“ und Deutsche, die in italienischen Restaurants „Due paganini“ bestellen ja thematisch geradezu auf.

Das alles kann man natürlich nachlesen. Doch live liest Axel Hacke seine Sammlung so, als säße man in eben jenem Gasthaus und würde sich über die ungewollt komischen Offerten in Echtzeit amüsieren. Dabei geht ihm jede Schadenfreude ab und sympathisch bekennt er: „Befreit von Sinn, Struktur und Grammatik kommt unsere Sprache zu sich selbst.“ Für ihn ist es einfach ein reizender Effekt, wenn man sieht: „Ich kenne es – aber ich verstehe es nicht.“

Nur einmal gerät der Autor in dieser Speisekarte des sprachlichen Scheiterns an seine geschmackliche Grenze, wenn ihm ein Leser ein Foto zusendet, auf dem ein Münchner Lokal „Hackefleisch mit Kartoffeln“ anbietet: „Da gehe ich nicht mehr hin…“

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