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Egal, wie kurz die Kordel ist

TRIER (19. November 2022). Was muss man während seiner Schulzeit verbrochen haben, um vom Lehrer noch posthum eine derart komplizierte Strafaufgabe zu bekommen? Heinz und Wolfram, genannt Erdnuss und Fackel (weil er alles anzündete) haben ihren Pauker offensichtlich derart nachhaltig genervt, dass er ihnen seinen „Filmpalast“ sowie jeweils 20.000 Euro vererbt, wenn diese ihn erfolgreich weiterführen. Der Haken bei diesem Vermächtnis: Heinz und Wolfram sind sich eigentlich spinnefeind, haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen und ach ja: Beim „Filmpalast“ handelt es sich um eine VHS-Videothek.

Das in etwa ist die Rahmenhandlung von „Kaksi Dudes“, dem neue Bühnenstück von und mit Badesalz. Und Henni Nachtsheim und Gerd Knebel brillieren nach Spektakeln wie „Dugi Otok“ oder „Dö Chefs“ einmal mehr als Komödianten, die mit Sprachwitz und schrägem Humor als herzlich-authentische Mimen eine rasante Geschichte erzählen. Und die hat sogar eine Botschaft. Doch dazu später.

Schon allein der Beginn von „Kaksi Dudes“ (finnisch für beste Kumpels) ist herrlich: Im Schattenspiel erfahren Heinz und Wolfram von ihrem Erblasser die Aufgabe. Der wird köstlich hessisch intoniert von Roland Hotz, Gründer des Darmstädter Kikeriki-Theaters, das auch das ansprechende Bühnenbild – ein alter Bauwagen mit bunter Lichtergirlande über dem hölzernen „Filmpalast“-Logo – gezimmert hat. Ein Treffen wird vereinbart und das Geschehen nimmt seinen Lauf.

Zum Glück ist Retro gerade in: „So wie bei den Amish People das Mittelalter.“ Die beiden Hessen denken sich allerlei Strategien aus, um den „Filmpalast“ wieder flott zu kriegen – verpackt in eine bunte Aneinanderreihung von Gags und Sketchen wie Filmtitelraten, Unterhaltungen zweier „Gala-Schlampen“ beim Friseur, Ratgeberschreiben zu Themen wie „Intervallfressen“ oder ein „Antiachtsamkeitskurs“, Büttenrede oder Märchenvorlesen. Natürlich wollen sie auch eigene Filme drehen. Der treue Badesalzfan hat hier natürlich so manches Déjà-vu, vor allem aus der 2019 veröffentlichten, jüngsten CD „Mailboxterror“.

Man muss einfach dabei gewesen sein – (gar wörtlich) wiedergeben lässt sich ein Abend mit Badesalz kaum. Dafür funktioniert das knisternde Spannungsfeld der beiden Dollbohrer wieder wie am Schnürchen: Nachtsheim alias Erdnuss als der In-sich-Gekehrte, Vorsichtige und Knebel als sofort für jede (natürlich nur die eigene) Idee brennender „Fackel“, der sein gegenüber stakkatoartig in den Boden babbelt. Dieses Erfolgsrezept funktioniert seit ungefähr 40 Jahren und wieder ist es eigentlich gar nicht so wichtig, was da, sondern wie es gespielt wird – und dass überhaupt.

Macht so etwas Sinn? Aber ja. Und vor allem in einer Zeit, die einem jeden Moment um die Ohren zu fliegen droht. Badesalz schenkt nicht nur köstlichen Nonsens, sondern bietet auch Kontinuität. Und hat durchaus auch eine Botschaft: Im auf den ersten (und leider auch auf den letzten) Blick eher sinnfreien Song „Hessische Freundschaft“, legt ausgerechnet Knebel einen anregenden Gedanken frei: Dort lässt der Teufel persönlich (unter anderem) einen Drachen steigen, obwohl die Kordel hier viel zu kurz ist. Aber er tut es trotzdem!

Nicht lamentieren, sondern machen. Genau das haben Henni Nachtsheim und Gerd Knebel auch getan, als ihnen Corona wie vielen anderen die Bühne unter den Füßen wegzog: Sie sendeten als „Radio Badesalz“ über Monate wöchentlich einstündige Comedyshows aus Hessen in die Welt, unterhielten ihre Fans und sorgten für kurzweilige Ablenkung in schwerer Zeit. Das Echo war laut und euphorisch. Wem, wenn nicht diesen beiden ist es zuzutrauen, selbst der VHS-Kassette zu einem Comeback zu verhelfen?

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