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Singende Revolverschnauze

MAINZ (24. Februar 2016). Nein, Dieter Thomas Kuhn hat sich nicht im Termin vertan: Der Schlagerbarde wird erst am 22. Juli auf der Zitadelle zu hören sein. Und doch: Die blonde Mähne des Künstlers, der die Bühne des Kleinen Unterhauses betritt, erinnert an den sympathischen Sänger aus dem Badischen. Felix Schobesberger aber kommt aus Österreich – spätestens bei der Begrüßung wird das deutlich.

Im breitesten alpenländischen Dialekt und mit einem überraschend sonoren Bass – zur schlanken Physiognomie dieses Schlacks‘ hätte man eher etwas Tenorales erwartet – warnt der als „Blonde Engel“ angekündigte Künstler das Publikum seines zweiten Unterhaus-Gastspiels, dass die Verständlichkeit des Idioms den Abend über nicht besser werde. Allerdings hört man sich rasch hinein in diesen Dialekt, der an einen Klacks Sahne in einem süßen Kaffee erinnert.

Der „Blonde Engel“ ist ein kapitaler Liedermacher, in dessen Nacken sich der Schalk einquartiert hat. Mit süffiger Ironie schlägt Schobesberger die Gitarre als Harfenersatz: Die Alternative zum „Hosianna“ ist eine hemdsärmelige Musikalität, die joviale Art des Künstlers schenkt pfiffige Ursprünglichkeit. Indem er den um Dekaden älteren Kollegen Reinhard Mey mit einem – ausnahmsweise hochdeutsch gesungenen – Lied über „Sitzmusik“ auf den Arm nimmt, beweist er außerdem eine erfrischende Prise Selbstironie. Gepaart mit dem Talent, Musik und Sprache zu einer wunderbaren Melange zu komponieren, darf man den Namen „Blonder Engel“ ruhig wörtlich nehmen: Der Auftritt solcher Künstler ist für die Szene schlichtweg ein Geschenk des Himmels.

Österreich hat großartige Liedermacher hervorgebracht, denke man nur an Wolfgang Ambros oder den leider viel zu früh verstorbenen Ludwig Hirsch. Felix Schobesberger tritt in ihre Fußstapfen und füllt sie bereits voll aus. Gesegnet mit der Gabe nicht nur der brillanten, sondern auch der unglaublich schnellen Eloquenz hört man staunend vom Fisch in der Kirche, lässt sich vom „Disco-Schnupfen“ berauschen oder freut sich an den immer wieder aufblitzenden Zitaten aus allen Sparten der Musik von Klassik bis Rock – übrigens auch der Titelmusik von „Löwenzahn“ als leise Hommage an den tags zuvor verstorbenen Moderator Peter Lustig.

Schnell wird der singende Götterbote mit seinem Publikum warm, bittet sie um Themen und Begriffe, aus denen er faszinierend locker den Text eines Liedes macht: Ameisenbär, Kindergarten, Kratzbaum, Fußpilz, Ketchup und Flötenschlumpf? Kein Problem, sondern eine knackige Polka: „Egal, was passiert, lachen Sie bitte.“ An einem Abend mit dem „Blonden Engel“ muss das nicht eigens ausgesprochen werden.

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