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Kleinkunst in Reimkultur

MAINZ (18. September 2016). Es passiert durchaus nicht oft, dass sich ein Unterhaus-Publikum zum Klatschen von den Stühlen erhebt und wenn, dann eben erst am Schluss. Der Klavierkabarettist Bodo Wartke erzielte jedoch während seines jüngsten Gastspiels sogar einen warmherzigen Szenenapplaus, als er sein Lied „Nicht in meinem Namen“, das er tags zuvor bereits beim 3sat-Festival vorgestellt hatte, anstimmte.

Hierin distanziert er sich – als Stimme eines quasi konfessionslosen Gottes – von jeglicher religiös motivierten Gewalt, Unterdrückung und Verfolgung. Er wolle mit seiner Kritik keine gläubigen Gefühle verletzen, hatte er zuvor unterstrichen, doch sehe er derzeit seinerseits sein humanistisches Weltbild angegriffen. Standing ovations also, ein ebenfalls ehrlich ergriffener Bodo Wartke – und leider auch ein abschätziger Kommentar aus der Reihe hinter einem zur Meinungsäußerung der „Gutmenschen“.

Ein inniger Moment an einem ansonsten vergnüglichen Abend, mit dem der pfiffige Musiker sein 20. Bühnenjubiläum feiert – an 20 Orten, die für die beachtliche Karriere des Kleinkunstpreisträgers 2004 wichtig waren. Und natürlich gehört das Unterhaus dazu. Mit seinem Liebeslied in mittlerweile 30 Sprachen – in Mainz singt er es auf Wunsch des Publikums unter anderem auf Schwedisch, Klingonisch und Arabisch (!), schafft er nach „Nicht in meinem Namen“ gekonnt die Kurve und ist bald wieder in der Spur. Auch wenn man ihm sein Alter nicht ansieht: Der 39-jährige ist ein gewiefter Bühnenhase und weiß sein Publikum zu nehmen.

Dass das nicht immer so war, erzählt er in unterhaltsam geplauderten Anekdoten: So schickte man ihn 2001 bei „Songs an einem Sommerabend“ in Kloster Banz auf die Bühne, um ein vollkommen durchnässtes und dementsprechend mies gelauntes Publikum zu animieren. Ausgebuht schlich er sich von der Bühne, schrieb sein Lied „Regen“ und wurde zum Trost im nächsten Jahr ins Hauptprogramm genommen. Weitere Einladungen folgten und schließlich moderierte er das renommierte Festival sogar einige Jahre lang.

Angesichts der brillanten Kunstfertigkeit, mit der Bodo Wartke in seinen elegant am Piano parlierten Songs Musik und Sprache verbindet, den Klang im Wort herauspoliert und sich faszinierend von Reim zu Reim schwingt, mag man kaum glauben, dass ihm nicht immer und überall jedes Auditorium zu Füßen liegt. In Mainz spielt er neue Lieder und Klassiker, zuweilen mit seiner temporären Bühnenpartnerin Melanie Haupt. Wartke lernte die Sängerin 2001 anlässlich eines Wettbewerbs kennen, woraus sich eine knisternde Bühnenliebe entwickelte.

Mit der klang- wie geistvollen Verbindung seiner musischen und rhetorischen Talente gibt der Künstler dem klassischen Couplet der 1920er Jahre eine Stimme, an der man sich nicht satthören mag. Einer von vielen Höhepunkten des Gastspiels war sicherlich Mozarts „Vogelfänger“-Arie mit morbiden Ausflügen ins gefiederte Volksliedgut: „Wenn ich erst mal vom Leder zieh, dann stirbt das ganze Federvieh“ – da muss sogar der vegane Tierfreund schmunzeln.

Im Internet kann man sich unter http://www.bodowartke.de das „Liebeslied“ des Kabarettisten per App in einer eigenen Sprachauswahl herunterladen. Ebenfalls als Download: das „benutzerdefinierte Liebeslied“ auf verschiedene Frauennamen mit mittlerweile mehr als 800 Strophen.

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