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Der Deutsche Kleinkunstpreis 2020 geht an ...

MAINZ (19. November 2020). Hätte die Jury, die alljährlich die Träger des Deutschen Kleinkunstpreises kürt, in der seit 1972 vergebenen Auszeichnung auch Heinz Erhardt bedacht, hätte dieser für die Verleihung, bei der alle Preisträger einen kurzen Ausschnitt ihres Schaffens zu präsentieren haben, wohl eigens das Gedicht „Noch ‘ne Glocke“ geschrieben. Denn das Geläut en miniature bekommt jeder Geehrte – nebst der Dotierung von jeweils 5.000 Euro. Der Preis wird am 1. März 2020 im Unterhaus überreicht, 3sat sendet die von Urban Priol moderierte Fernsehaufzeichnung am 8. März.

Während der Jurysitzung wurde einmal mehr deutlich, welch breites Künstlerspektrum die zu ehrenden Bereiche Kabarett und Kleinkunst sowie Musik, Chanson und Lied aktuell beackert – und beackert hat, wenn man den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz ins Visier nimmt. Den erhält 2020 Gerburg Jahnke – und damit erstmals in dieser Riege eine Frau.

Sebastian Pufpaff bekommt den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett, der Franzose Alfons (Emmanuel Peterfalvi) bei der Kleinkunst. Im musikalischen Bereich wird das Duo Suchtpotenzial ausgezeichnet, der Förderpreis der Stadt Mainz zum Deutschen Kleinkunstpreis geht an den Österreicher Christoph Fritz.

Sebastian Pufpaff ist laut Jury ein „Meister der Widersprüche, der als gut gelaunter Zyniker die Welt am liebsten von ihrer dunklen Seite beleuchtet und sein Publikum aus der moralischen Komfortzone zwingt. Statt einfacher Wahrheiten bietet er Perspektivwechsel, bläst Klischees auf bis zur Selbstzerstörung und löst die komplexesten Probleme mit einer Pointe. Er ist der Kabarettist, den diese Zeit verdient.“

Über Alfons heißt es, er halte der Gesellschaft als medialer Eulenspiegel unterhaltsam wie entlarvend den Spiegel vor. Seine Kunstfigur lasse Emmanuel Peterfalvi entwaffnend die Herzen seines Publikums zufliegen und erforsche mit kindlicher Neugier auch die abgelegensten Gefilde des deutschen Wesens. Mit sympathischem wie selbstironischem Kokettieren nehme Alfons dabei stets die Schärfe aus der Würze und serviere dennoch ein pikantes kabarettistisches Savoir-vivre.

„Suchtpotenzial singen dem Sexismus den Kampf an“, sagt die Jury über Julia Gámez-Martin und Ariane Müller: „Sie rocken die Emanzipation, ihre Songs sind Botschaften mit Haltung, provokant getextet, leidenschaftlich dargeboten und brillant komponiert.“ Hier gebe es geballte Frauenpower mit Sinn und Selbstironie, dank Suchtpotenzial werde Feminismus Rock’n‚roll.

Christoph Fritz wird für sein Erstlingswerk „Das jüngste Gesicht“ ausgezeichnet: „Seine zurückhaltende, jugendliche Erscheinung lässt Naivität vermuten. Zerschmettert werden die äußeren Eindrücke jedoch durch die Wucht, mit der seine tabulosen, mit knallharten Pointen gespickten Texte daherkommen. Laufend werden durch die Diskrepanz zwischen Sein und Schein kleine bis mittlere Explosionen in den Gedanken seiner Zuschauer ausgelöst, die letztlich nur mit Humor zu verarbeiten sind.“

Und über die „First Lady des Kabaretts“ Gerburg Jahnke sagt die Jury: Schon in den 1980er Jahren habe sie mit dem Duo „Missfits“ (mit Stephanie Überall) eine neue Form des weiblichen Humors etabliert: „rotzfrech, emanzipiert, klug, witzig und mit Haltung“. Seitdem sei sie prägend für ganze Generationen junger Künstlerinnen, die sie mit TV-Sendungen „charmant und nachhaltig Künstlerinnen dorthin beförderte, wo auch sie seit über 30 Jahren zu Recht steht: auf die deutschsprachigen Bühnen und in die Herzen der Zuschauer“.

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