Ein Meister aus Deutschland
MAINZ (13.März 2025). Der Tod inspirierte Kunst und Kultur schon immer: Barocke Dichter hießen ihn als Eingang in Gottes Reich willkommen, die „schwarze Romantik“ entdeckte die Ästhetik des Schauers und im 19. Jahrhundert schrieb der bayerische Mundartdichter Franz von Kobell seine Geschichte vom Brandner-Kasper, der dem Gevatter ein Schnippchen schlagen will. Der Tod gehörte einst zum Leben.
In unseren schnelllebigen Tagen werden die Menschen hingegen immer älter, 70 ist das neue 60 oder gar 50, das (sichere) Ende wird ausgeblendet, mindestens aber herausgezögert. Auf der anderen Seite ist der Tod durch Krieg und Terror zu oft furchtbarer Alltag. Der Umgang mit dem Lebensende ist also recht different. Und gerade daher erscheint der Tod auf der Unterhaus-Bühne in Person eines Comedians einerseits so vollkommen deplatziert und andererseits doch genau am rechten Platz.
Wortverspielt und doppeldeutig erzählt er von seinem Arbeitsalltag, von den Problemen, wenn die Post das Paket beim Nachbarn abgibt und er dann dort in Arbeitskleidung klingelt. Als er im Publikum auf Elektriker Karsten trifft, freut er sich über den Erstkontakt und heißt Friederike vom Pflegedienst zur Fortbildung willkommen. Berührungsängste hat der Tod nicht und seine Menschenliebe ist ansteckend: Wenn man von einem Künstler so richtig abgeholt und mitgenommen wird, dann von diesem – Totlachen inklusive. Einige tragen sogar vorsorglich Schwarz …
Da ist die Kutte, die das Gesicht des Todes komplett verhüllt, aber eben auch diese hohe Stimme, mit der er ein freundliches „Hallo“ ins Publikum sendet. Schon dieser Moment allein reicht, um das Bild des garstigen Schnitters ins Gegenteil zu kehren. Dass im Unterhaus-Foyer an diesem Abend auch die Mainzer Hospizgesellschaft mit einem Infostand präsent ist (und das Team die Show genießt), passt zusätzlich ins Bild. Funfact: Gerade für solche Initiativen hat dieser Comedian stets einen Spendenschädel dabei und so in zehn Jahren bereits rund 150.000 Euro gesammelt.
Seit Jahren tritt der Künstler, von dem man nur weiß, dass er aus Berlin kommt, als Tod auf und sorgt so für Heiterkeit. Wer er ist, weiß natürlich die ihn vertretende Agentur, doch ansonsten wahrt er (wie sein Kollege Atze Schröder mit Perücke und Sonnenbrille) seine Identität. Ein bisschen Geheimnis muss ja die letzten Dinge umwehen. Und so sieht man alles an diesem Abend gewissermaßen durch die schwarze Brille: Soll der Tod zur nächsten Bundestagswahl antreten? Wahlurnen stünden ja schon bereit. Ein Tempolimit würde es mit ihm indes nicht geben – höchstens für Feuerwehr und Rettungsdienste.
Schamlos schwarzhumorig witzelt sich der Tod durch den Abend, parliert über seine Liebe zum Fußball, wo ja auch geschossen, geköpft und umgesenst werde, sowie über hohe Energiekosten der Feuerbestattung. Warum nicht mit der Abwärme von Krematorien das Kinderplanschbecken im örtlichen Hallenbad heizen? Kein Gedanke erscheint dem Gevatter zu absurd und wer nicht gerade just an diesem Tag einen geliebten Angehörigen verloren hat, kann eigentlich nicht anders, als laut ins politisch unkorrekte Lachen einzufallen.
Der Tod singt und tanzt, zeigt witzige Lichtbilder von Zigarettenwerbung vor Friedhöfen oder Orten wie Sargleben, Killer und Grab. Lustigerweise spielt im Kleinen Unterhaus just an diesem Abend Kollege Jess Jochimsen, der diese Art des ironischen Diavortrags schon lange zur Kunstform erhoben hat. In der Pause ermuntert der Tod zum Rauchen oder Alkoholkonsum – man würde sich nicht wundern, brächte er einen nach ein paar Gläsern auch noch zum Auto.
Dieser Künstler überschreitet leichtfüßig eine Grenze nach der anderen. Und er tut gut daran. So wenig dem Tod die Arbeit ausgeht, so kreativ ist er auch im Ersinnen seiner Späße. Und hat bereits für Branchennachwuchs gesorgt: Seine Partnerin Exitussi schenkte ihm vor drei Jahren den kleinen Totellini und der hält die Eltern seither ganz schön auf Trab. Beim Kindergeburtstag wird Sarghüpfen und Kopfschlagen gespielt sowie ein Leichenkistenrennen veranstaltet. Spätestens als der kleine Dreischädelhoch auf Fotos ebenfalls mit Kutte posiert, hat der Tod allen Schrecken verloren.
Man weiß nicht, für was man diesem Herrn mehr Respekt zollen soll: für seinen Mut zum humoristischen Tabubruch ohne dabei ins Geschmacklose abzurutschen oder einfach für die Kreativität, sich eine solche Figur überhaupt auszudenken. Paul Celan hatte auf jeden Fall Recht, als er dichtete, der Tod sei ein Meister aus Deutschland. In Berlin fällt der übrigens mit seiner Kutte kaum auf: „Da gehöre ich noch zu den Normalen …“