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Und der „Oscar“ geht an...

MAINZ (18. Februar 2018). Immerhin: Im Interview mit Preisträger Torsten Sträter tags zuvor hatte SWR1-Moderator Frank Jenschar den Deutschen Kleinkunstpreis als „Kabarett-Oscar“ bezeichnet.

Die Verleihung der wichtigsten Auszeichnung ihrer Art sorgte in Mainz gleich zwei Mal für ein ausverkauftes Unterhaus: Bevor am Abend geladene Gäste die Stuhlreihen füllten, herrschte vor allem während der Generalprobe am Nachmittag beste Stimmung. Die TV-Aufzeichnung ist am 25. Februar um 20.15 Uhr auf 3sat und am 2. März um 00.45 Uhr im ZDF zu sehen.

Neben dem gut aufgelegten Moderator Urban Priol standen vor allem die Preisträger im Rampenlicht: Simone Solga erhielt die mit je 5.000 Euro dotierte Auszeichnung in der Kategorie Kabarett, Lisa Eckhart den Förderpreis der Stadt Mainz; die anderen „Ränge“ teilten sich die Kollegen Marco Tschirpke (Chanson, Lied und Musik), Torsten Sträter (Kleinkunst) und der Österreicher Andreas Vitásek, der den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz erhielt.

Jeder Preisträger musste natürlich zeigen, wie Recht die Juroren mit ihren jeweiligen Begründungen hatten. Marco Tschirpke beispielsweise ist in ihren Augen „ein Musikpoet, der das Publikum mit raffiniert vertonten Texten fasziniert“. Seine fein formulierten „Lapsus-Lieder“ gefallen durch brillante Prägnanz – zum Beispiel über das Altern: „Mutti, warum hast Du Dich liften lassen? Papa sucht schon nach Dir.“ Oder er diagnostiziert nach dem Gießen mit Milch bei seinem Basilikum Laktose-Intoleranz – die Pointen sind stets gewitzte Überraschungen. Mit ihrem letzten Satz lag die Jury ebenfalls richtig: „Marco Tschirpke macht einfach Lust auf Lyrik.“

In seiner (angeblich morgens um halb drei geschriebenen) humorigen Dankesrede zitierte Torsten Sträter den Philosophen Francis Bacon: „Nicht die Glücklichen sind dankbar – es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“ Früher dachte er allerdings, Bacon habe das Frühstück erfunden: „Oder es war Kevin Bacon. Oder Karsten Speck.“ Sträter hatte aber auch durchaus bewegende und sympathische Worte parat: „Ich bin einfach dankbar dafür, dass ich Sie zum Lachen bringen darf.“ Und das Preisgeld will er spenden.

Wie preiswürdig Lisa Eckhart ist, kann man bereits in der kommenden Woche im Unterhaus sehen, wo sie am 26. und 27. Februar mit ihrem Programm „Als ob Sie Besseres zu tun hätten!“ gastiert. Die anlässlich der Preisverleihung gereichten Appetit-Häppchen zeigten schon mal, dass sie mit dem Titel Recht behalten dürfte: So elegant hat noch keine Dame über die Gemeinsamkeiten von Pornografie und Koch-Shows sinniert – nicht nur dies eine sprachliche Leckerei allererster Güte.

Simone Solga bekam den Preis für ihre geniale Rolle als „Kanzlersouffleuse“. Doch auch ihr aktuelles Programm („Das gibt Ärger“) ist sehenswert. Im Unterhaus gab es äußerst kluge Bonmots in Richtung Chefin: „Wer seine eigene Politik als alternativlos ausgibt, der weckt im Volk nur die Begierde nach einer Alternative.“ Martin Schulz ist für Solga „der erste Sozialdemokrat, der auch im Liegen umfallen kann“, und bis zur nächsten Bundestagswahl versprach sie „noch ein paar harte Wochen“.

Den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz erhielt in diesem Jahr mit Andreas Vitásek laut Jury „ein Clown, Kabarettist, Theatermann und Poet“ in Personalunion. „Als gelernter Wiener weiß man: Jetzt kommt nicht mehr viel“, merkte er zwar an, doch nimmt Vitásek diese Erkenntnis offenbar nicht allzu wörtlich: Humorvoll und hintergründig arbeitet er sich an den vermeintlichen Widrigkeiten des Lebens ab und hält es dabei mit Albert Camus‘ Satz: „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.“ Offenbar ein kluges Lebensmotto.

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