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Der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy

MAINZ (22. März 2014). In den Titeln seiner Soloprogramme lehnt sich der Comedian Dieter Nuhr seit jeher an seinen Namen an: Von „Nuhr am Nörgeln“ über „Nuhr nach vorn“ oder „Ich bin’s nuhr“ bis „Nuhr die Wahrheit“ oder eben aktuell „Nuhr ein Traum“. Mittlerweile füllt er mühelos größte Säle wie jetzt die bis auf den letzten Emporenplatz ausverkaufte Rheingoldhalle.

1998 erhielt er in Mainz den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett, danach hagelte es weitere Auszeichnungen. Keine Frage also: Dieter Nuhr ist einer der großen. Nur vom Kabarettisten-Dasein hat er sich doch ein wenig verabschiedet und brilliert eher als Comedian: Der Unterschied ist an diesem Abend erfahrbar.

Immerhin bekommt das Publikum für sein Eintrittsgeld vor allem erst mal Quantität: Allein der erste Teil dauert fast 90 Minuten. Leichtes Aufwärmen mit der Ukraine und Uli Hoeneß macht den Anfang. Wobei: „Das ist ja eher depressiv.“ Dann bringt Nuhr den gefallenen Fußball-Manager mit Hitler in Verbindung, der ja auch in Landsberg eine Haft verbüßte: „Hoeneß ist also nicht der erste Präsident“, geht Nuhr, der Geschichte auf Lehramt studierte, etwas großzügig mit der Historie um – aber für den schnellen Lacher reicht’s. Und setzt nach: „Vielleicht schreibt er dort ja auch ‚Mein Kampf – mit der Steuerbehörde‘.“

Glänzte Nuhr in früheren Programmen mit fein verwobenen Geschichten und zuletzt im „Jahresrückblick 2013“ der ARD, wo er politisches wie gesellschaftliches Geschehen mit spitzen Pointen treffsicher kommentierte, gleitet er aktuell in ein eher uninspiriertes Aneinander-Montieren von zwar humorigen, aber doch schnell gekritzelten Randnotizen ab. Da erzählt er von der eher unappetitlichen Achselbehaarung einer müden Mutter im Supermarkt, der „Schweißkristalle wachsen“, um letztendlich doch nur langärmelige Bekleidung zu fordern. Oder ein bisschen Politik: Merkels emotionale Regung bei der Fußball-WM 2006 – dass er (sich) daran noch erinnert? Aber auch hiermit amüsiert er offenbar königlich.

Statt auf kleiner Bühne mit dem Auditorium an mehreren Abenden auf geistvolle Tuchfühlung zu gehen, erledigt Nuhr das spürbar lieber mit einer Vorstellung vor vielen und geht damit den gleichen Weg wie beispielsweise eine Cindy aus Marzahn, ein Oliver Pocher oder ein Mario Barth. Hier regelt schlicht die Nachfrage das Angebot.

Nur selten stößt sich Nuhr von der Oberfläche ab und taucht in die Tiefe: Dann aber zeigt er, der unterhaltsam-nachdenkliche Bücher geschrieben hat und sich in spannenden Ausstellungen mit eigenen Fotos präsentiert, sich von einer ernsthaften Seite, die den wahren Humoristen ja ebenfalls auszeichnet. In Mainz erinnert er daran, dass der Deutsche zum Jammern doch kaum Gründe hat. Die ihm daraufhin entgegenbrandende Stille ist bemerkenswert. Doch bevor die Botschaft sacken kann, reißt Nuhr dann doch wieder ein paar schnelle Witze: über Vegetarier, über Rentner. Das ist schade. Aber immerhin hat der Comedian einem schon zu Beginn einen Rat für die Vermeidung von Enttäuschungen gegeben: „Gehen sie mit niedrigen Erwartungen hin.“ Danke für den Tipp.

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