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Wenn Merkel mal weg ist

MAINZ – Vielleicht sind die Ballen an Vorschusslorbeeren, mit denen Dorina Pascu vom Kabarett „Distel“ im Mainzer Unterhaus das Programm „Jenseits von Angela“ musikalisch ankündigt, ein Quäntchen zu üppig: Pointen soll es prasseln! Tut es auch, jedoch nicht ständig. Der Schlusssong besingt dann, dass die Deutschen die Mitte liebten – und so rangiert auch dieser Abend mal mehr, mal weniger Richtung Mittelmaß.

Der Plot ist zu Beginn recht originell: Angela Merkel hinterlässt auf ihrem Schreibtisch den Zettel „Bin weg“ und ihr Land damit im Chaos der Krise. Zwei Praktikanten der Herren Niebel und Pofalla dürfen jetzt einen geeigneten Interimskanzler suchen; Pascu (CDU) sowie Timo Doleys (FDP) werden auch fündig und versuchen nun, Rentner Edgar Harter auf Regierungschef zu trimmen. Der wehrt sich anfangs mit Händen und Füßen, fühlt sich jedoch schnell als Obama in spe und plant schon den visionären Staatsumbau, als sich Merkel aus der temporären Auszeit zurückmeldet und die beiden Kanzlermacher wieder ihren Platz an Kopierer und Kaffeemaschine einnehmen dürfen.

In der Zwischenzeit brennt das „Distel“-Ensemble ein Nummernkabarett ab, das zuweilen durch Brillanz, leider aber auch durch stilistisch-geschmackliche Fehlgriffe wie „Taliban-TV“ glänzt. Auf die Nerven geht, dass sich auch ein renommiertes Kabarett wie die Berliner „Distel“ noch immer mit Merkels Frisur und dem Kinderreichtum von der Leyens beschäftigt.

Im scharfen Kontrast zu diesen Banalitäten steht dann aber wieder der satirische Schliff der politischen Randbemerkungen, die aktuelle Themen aufgreifen: Roland Koch wird mit Berlusconi gleichgesetzt, da er mit dem ZDF jetzt auch seinen eigenen Sender habe, die FDP-Klientel hält Hartz IV für den neuen Sessellift auf dem Brocken und Westerwelle wird als Ausgleichssport das Fallschirmspringen nahegelegt.

Zu Höchstform läuft Edgar Harter auf, als er den statistisch-molekularen „Marktwert“ eines Menschen nennt und diesen in Relation zu Zumwinkels Pension oder Sarrazins Rechenkünsten stellt. In die gleiche Kerbe schlägt der „Götzendienst“ der missionarischen Anlageberater, die wider den Antikapitalisten predigen und die wohltätigen Sünder verdammen. Derart brüllt der Löwe gut.

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