Beobachten, analysieren, bewerten
MAINZ (17. Dezember 2014). Wer, wenn nicht er, steht für eine besonders gelungene Form der Integration? Der in Bayern geborene Kabarettist Django Asül ist Deutscher türkischer Abstammung; äußerlich hat er nichts von einem gestandenen Bajuwaren, doch sein Dialekt ist lupenrein.
Diese optisch-akustische Diskrepanz paart sich mit einer grandios analytischen Sichtweise auf das politische Geschehen im In- und Ausland. Wenn Asül darüber parliert, fühlen sich die Ohren nahe dem bierseligen Stammtisch, der Geist jedoch genießt die intelligenten Pointen wie prickelnden Champagner.
Im Frankfurter Hof hatte Asül jetzt zu seinem Programm „Rückspiegel“ eingeladen, in dem er die vergangenen zwölf Monate Revue passieren lässt. Im Schweinsgalopp und mit bayerischer Revolverschnauze geschieht das, schließlich muss jede thematische Sau, die Politik und Prominenz 2014 durch die Dörfer getrieben haben, erlegt und genüsslich ausgeweidet werden.
Warum sich Menschen wohl einen Jahresrückblick im Kabarett anschauten, sinniert Asül: Viele hätten wohl keine Zeit für die Nachrichten, andere würden der Objektivität der Medien misstrauen und sie dann bei ihm suchen. Keine Frage: Sie werden fündig. Hier wird ohne Häme bewertet: Peinlichkeiten sprechen für sich selbst und werden höchstens geistvoll kommentiert. Spannend ist auch, wie viel man schon wieder vergessen hat – an diesem Abend wird alles erinnert.
„Wenn der Name Haderthauer fällt, merkt man, wie lange der April schon wieder her ist“, stellt Asül fest. Er geht nicht streng chronologisch vor, sondern verbindet die einzelnen Themenfelder zu einem faktenreichen „Bildband“, den das geistige Auge durchforstet. Die Winter-Olympiade in Sotschi beispielsweise fand im gleichen Jahr statt, in der Gastgeber Putin in der Ukraine einmarschierte.
Keiner, der in diesem Jahr einen Bock geschossen hat, entgeht Asüls wachem Blick. Von der Leyens martialisches Foto vor einer Trans-All-Maschine? „So hätte Leni Riefenstahl Bushido ins Bild gesetzt.“ Schwesigs Frauenquote? „es ist offenbar egal, ob auf dem Vorstandsstuhl eine Frau sitzt oder ob er leer bleibt.“ Scheuers Vorschlag, in Ausländerfamilien solle Deutsch gesprochen werden, ein Missverständnis? „Es kam draußen nur so an, wie er es gemeint hat.“ Asül spricht aus, was man selbst empfindet und kämpft mit der einzigen Waffe des Machtlosen, dem Humor.
Hatte sich Asül zu Beginn respektabel die regionalen Themen vorgeknöpft, zieht er im Verlauf des Programms immer weitere Kreise. Der französische Präsident Holland ist für ihn ein politischer Waschlappen und ein privater Drecksack, beim Europäer Juncker verhalte es sich genau andersherum. Der Berliner Flughafen, Alice Schwarzer zwischen Frauen- und Kontobewegung, die Fußball-WM mit pinkelnden Spielern und führerscheinlosen Trainern – von A wie ADAC bis Z wie ZDF wird pikant aufgezeigt, dass die Banane, die vor 25 Jahren symbolisch mit dem Mauerfall in Verbindung gebracht wurde, nicht selten das „Wappentier“ unserer Republik ist.