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Das Jahr im Rückspiegel

MAINZ (16. Dezember 2015). Die Recherche für einen satirischen Jahresrückblick gestaltet sich für einen Kabarettisten je nach politischer wie gesellschaftlicher Wetterlage wie ein Gang über einen bunten Markt, auf dem er sich die Zutaten für seine Pointen aussuchen kann: Motive, die runtergehen wie Öl, Ereignisse, die man mit schnalzender Zunge goutieren kann und sicherlich auch Themen, bei denen man sich vor Ekel schütteln möchte.

Der Kabarettist Django Asül kann aus all diesen Ingredienzen etwas Geschmackvolles zubereiten. Im Frankfurter Hof betätigte sich der Niederbayer mit anatolischem Familienhintergrund einmal mehr als hemdsärmeliger Koch und Kellner in Personalunion, der das Jahr nicht nur fachmännisch ausweidet und seziert, sondern die Monate einem erlesenen Menü gleich aufkocht und kredenzt.

Weil Asül bewusst ist, wie sehr das Gelingen der Zukunft vom Wissen um die Vergangenheit abhängt, wagt er seit sechs Jahren den Blick in den Rückspiegel. So lautet auch der Titel des Abends: „Wer nach vorne fährt, sollte den Blick nach hinten nicht vergessen. Das lernt man schon in der ersten Fahrstunde“, weiß er und fügt hinzu: „Was in der räumlichen Dimension angebracht ist, kann also für die zeitliche nicht schlecht sein.“ Wie Asül das macht, ist sogar sehr gut und darf im Reigen der Rückblicke seinesgleichen suchen.

Die Qualität des Publikums misst Asül an der Tatsache, dass seine Gäste trotz Weihnachtsterrors den Weg ins Theater gefunden hätten. Er selbst sieht sich als Dienstleister, denn viele würden aus Zeitmangel kaum mehr Nachrichten schauen – und wer seine Rückblicke kenne, verzichte auf anderweitige Information oft von alleine. Mit rustikalen Selbstbewusstsein steigt der Kabarettist in den Ring und teilt kräftig aus.

Asül geht nicht chronologisch vor, springt zwischen Politik, Sport und Gesellschaft, verknüpft die Bereiche kongenial mit tatsächlichen oder virtuellen Bezügen, so dass sich wie von selbst ein eng gesponnener roter Faden ergibt. Merkels „Wiederbelebung der Fernsehshow ‚Spiel ohne Grenzen‘“, Bundes- und Landespolitik und ihre Protagonisten, die Fifa, der ESC, Griechenland, Showbusiness – vom Flüchtling bis zur Quizshow kommt alles vor.

Auffallend ist allerdings, dass Asül Erscheinungen wie Pegida oder die AfD mit keinem Wort erwähnt – Kritik durch beredtes Schweigen? Der Humor des Bayern ist zuweilen bewusst sarkastisch: So könne der Berliner Flughafen jetzt als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden – Brandschutz gebe es dort ja nicht. Mehr als einmal zieht man betroffen die Luft durch die Zähne. Aber leichte Ohrfeigen helfen einem Wegdämmernden ja zuweilen, bei Bewusstsein zu bleiben.

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