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Pegasus ohne Kapp‘

MAINZ (18. September 2013). Fehlt da nicht etwas? Ein gewisses Accessoire? Auf der kleinen Bühne im Unterhaus sitzt Gerd Dudenhöffer. Aber ohne sein Alter Ego Heinz Becker. Und ohne Kappe, denn heute liest der Saarländer lyrische Gedichte aus seinen Büchern „Opuscula“ und „Opuscula Nova“.

Ob Heinz Becker sie wohl im heimischen Bücherschrank aus massiver Eiche stehen hat? Ein früheres Programm Dudenhöffers hieß zwar „Ohne Kapp‘ undenkbar“, doch wenn die markante Kopfbedeckung das Haupt des spießbürgerlichen Biedermanns nicht krönt, zeigt sich, welch ein Feingeist der Erfinder des kauzigen Heinz Becker eigentlich ist.

Wenn er an Heinz Erhardt, Eugen Roth, Joachim Ringelnatz oder Christian Morgenstern erinnert, dann ist das eher Hommage als Kopie. Und so versteht man auch die erste Nummer, eine aus leeren Worthülsen zusammengesetzte „Rede“, wie sie schon Loriot einst als Parlamentarier hielt: „Papa ante portas“ heißt es eben auch in den Gedichten, wobei Dudenhöffer im gleichnamigen Film eine köstliche Gastrolle spielte.

Auf der Bühne spielt der Poet an diesem Abend nicht, es sei denn mit Worten und Satzbau. Wortwörtlich pausenlos folgen die Gedichte aufeinander: Dudenhöffer liest tatsächlich durch und verabschiedet sich mit einer knappen Verbeugung nach 70 Minuten ohne Zugabe. Zwischenapplaus wäre fehl am Platz, hätte die dünne Struktur der Lesung aber vielleicht ein wenig stabilisiert. Wobei die Qualitäten der Texte diese Atemlosigkeit schnell wieder wett machten: Pointiert baut Dudenhöffer seine Poeme, denen er im letzten Vers eine oft garstig-überraschende Wendung gibt. „Gehässigkeit mögen Sie?“, fragt er rhetorisch sein Auditorium, das an seinen Lippen hängt.

Dudenhöffer erzählt vom Zwischenmenschlichen, der Liebe und nimmt dabei einen „kräftigen Schluck aus den Träumen“. Wundervollen Wortgebilden darf man hier lauschen: Es gibt „Wein aus Engelstränen“, „Länder aus Mondlicht“ und in seiner Erzählung „Die Reise nach Talibu“ erweist sich Dudenhöffer als galanter Romancier, der das „fauchende Schleifen“ einer Schiebetür genauso vermitteln kann wie den Wunsch der Protagonistin Melia, sich in ihre „Höhle aus Gedanken“ zu verkriechen.

Dudenhöffer schreibt mal luftig leicht, mal atmosphärisch dicht: Verse wie die „Reise auf dem Riesenrad ins Phantastisch-Ungewisse“ sind einfach großartig. Nein, die Kappe fehlt an diesem Abend keineswegs.

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