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Leichtes ohne Seichtes

MAINZ (8. Mai 2011). Nun steht er also fest, Deutschlands neuer Superstar, den die Nation basisdemokratisch zum Sieger telefoniert hat. Doch wird man sich in, sagen wir 80 Jahren noch an ihn erinnern? An seine Melodien, seine Texte? Wird es jemanden geben, der nach des Stars Stationen im Dschungelcamp oder im Big Brother-Container sein geistiges Erbe bewahren möchte?

„Wir müssen uns heute mit Cindy aus Marzahn begnügen“, diagnostiziert der Chansonnier und Conférencier Robert Kreis mit einem lachenden und einem weinenden Auge während seines bunten Abends in den Mainzer Kammerspielen. Hierhin zieht es ihn immer wieder gerne, hier hat er ein treues Stammpublikum, das ihm den Abend über an den Lippen hängt.

Mag jenes tränende Auge der trivialen Gegenwart gewidmet sein, das leuchtende schaut über Dekaden zurück in eine Zeit des vielleicht leichten, jedoch alles andere als seichten Witzes: Jüdischer Humor, augenzwinkernde Schlüpfrigkeit, erotische Anspielung und eine Laxheit, die den Vatermörder-Kragen der 20er Jahre mit Schwung aufknöpfte und den Geist Luft holen ließ.

Gleiches tut der gebürtige Holländer Kreis, wenn er den Staub von den Schlagern und Couplets bläst. Seit 30 Jahren sammelt der bekennende Liebhaber von Flohmärkten nun schon Lieder, Texte, Conférencen, alte Schellack-Platten und Magazine aus der Zeit der Weimarer Republik. Mit ihnen geht er in seinen Programmen dann auf Zeitreise und nimmt sein Publikum mit. In Mainz ist es nach dem Programm „Highlights“ mit Liedern der 20er und frühen 30er Jahre diesmal schlicht „Ein Abend mit Robert Kreis“.

Wieder gibt er dem gesprochenen Wort mehr Raum als dem gesungenen Chanson: Derart kann man mittlerweile vielfach im Original bestens restauriert auf CD erstehen – den trefflich artikulierten Witz hingegen muss man erleben. Kreis schlüpft elegant in die Rolle des Unterhalters, die ihm so gut steht wie der maßgeschneiderte Zweireiher mit dem überbreiten Revers: Er erzählt Witze und vor allem der jüdische Humor hat es ihm angetan. Ihn pflegt er mit großem Respekt vor den Künstlerkollegen der Weimarer Zeit: „Was ist ein jüdisches Dilemma? Schweinefleisch zum halben Preis.“

Auch die Zitate aus den vergilbten Illustrierten, die Annoncen im „Lebemann“, einer Art Vorgänger des „Playboy“ – beispielsweise für spezielle Gummiware: „Kaufen Sie bei Fromms – die Konkurrenz platzt…“ – regen zum Kichern an wie der „Lachfoxtrott“, dem man sich in der Interpretation Kreis‘ kaum entziehen kann. Und dazwischen immer wieder neu arrangierte Lieder und bekannte Schlager wie Otto Reutters „Alles wegen de‘ Leut“. Hier treffen sich eben wirkliche „Superstars“…

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