» Kleinkunst

Ein Leben in vollen Zügen

MAINZ (29. Oktober 2013). Vom Dichter Matthias Claudius stammt nicht nur das berühmte Lied vom aufgegangenen Mond. Auch die Verse: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Drum nähme ich den Stock und Hut und tät das Reisen wählen.“ Gleiches machte die Kabarettistin Anka Zink für ihr zehntes Soloprogramm „In vollen Zügen“.

Ihr Markenzeichen ist das Kreisen um ein Thema: Waren es in den Vorgängerprogrammen die Kommunikationstechnik oder der Wellnesswahn, so macht sich Zink nun auf den Weg, um galant auf der Reisewelle zu surfen. Und gerade hier kann die Kabarettistin damit rechnen, dass so gut wie jeder im Unterhaus gleiche oder zumindest ähnliche Erfahrungen gemacht hat, die sie nun fokussierend zusammenfasst, um ihnen im Brennglas der Satire rückwirkend einen spöttischen Akzent zu geben.

Alle bekommen ihr Fett weg: das Auto im Stau („Wo bleibt denn die Freude am Fahren, wenn man steht?“), die Bahn, das Flugzeug und der Pauschaltourismus. Dabei umschifft Zink gekonnt die Klippen der einseitigen Übertreibung, denn das derzeit allzu beliebte Draufknüppeln auf das Flügelrad ist ihre Sache nicht: Statt oberflächlich die Probleme der Bahn abzukanzeln begibt sich die Rheinländerin lieber ins Reisezentrum und berichtet pointiert, aber ohne Häme von ihren Erlebnissen. Da ist die „Wartemarke!“ fauchende Angestellte, obwohl Zink am frühen Morgen die einzige Kundin ist: „Und wie bei ,Jim Knopf‛ verwandelt sie sich nach dem Ziehen des Zettels von Frau Mahlzahn in den freundlichen Drachen der Weisheit.“

Und Zink geht weiter, wenn sie das Ausdrucken von Online-Tickets zuhause verweigert, denn führt der „Service“ daheim nicht unweigerlich zur völligen Abschaffung der Schalter? „Service bedeutet für mich nicht nur, dass der Anbieter etwas davon hat, sondern auch der, der die Dienstleistung in Anspruch nehmen will.“ Solch nachdenkliche Töne im Programm mindern aber nicht die gute Stimmung und der Wiedererkennungswert zieht das Publikum in den Bann von „In vollen Zügen“.

Das funktioniert natürlich auch auf dem Flughafen, wo die Terrorangst die Grenzen wieder hochgezogen habe, nachdem sie in ganz Europa gefallen seien. Wie geht ein Angestellter mit morgenländischen Wurzeln wohl mit dem Nacktscanner um? Und woher kommt die Aversion gegen Flüssigkeiten: „Glauben die, ich jage mit einem Fläschchen Chanel eine Boing 747 in die Luft?“

Ob „Fummelcheck“ im Sicherheitsbereich, Gummistiefel auf Norderney oder der Pauschalurlaub „in All-inclusive“, fehlende Voucher oder der gerade im Urlaub zwanghaft geführte Kampf Mensch gegen Mücke – Anka Zink kann alles unterhaltsam zum Thema machen und durchwirkt es immer wieder anregend durch diverse Exkurse. Man darf also gespannt sein, was sie sich im nächsten Solo vorknüpft…

zurück