Eine Krone der Kleinkunst
MAINZ (30. April 2025). Dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei, ist – natürlich – ein Attribut, das er sich selbst angeheftet hat. Doch angesichts der aktuellen Krisen, Kriege und Katastrophen scheint es mit dem royalen Kopfschmuck nicht allzu weit her zu sein. Zeit also, sich mal Gedanken um die eigene Spezies zu machen. Damit man hierbei nicht verzweifelt, sollte man aber besser weder Biologen noch Sozialwissenschaft oder Philosophie, sondern Fachpersonal ranlassen: wie die Kabarettistin Katalyn Hühnerfeld. Im nahezu ausverkauften kleinen Unterhaus spielte sie jetzt ihr aktuelles Programm „Menschen muss man mögen“ und sich damit in Höchstgeschwindigkeit in die Herzen ihres Publikums hinein.
Schon der Beginn begeistert: In einem imaginären Erklärfilm referiert eine Stimme aus dem Off über die Gattung Mensch und Hühnerfeld stellt alles hinreißend genial pantomimisch dar. Das hat sie gelernt und sogar an der renommierten Folkwang Hochschule in Essen studiert – offenbar als Jahrgangsbeste und summa cum laude: Wie sie gestisch und vor allem mimisch agiert, ist einfach grandios komisch und ganz großes Theater (was sie ebenfalls fünf Jahre lang als festes Ensemblemitglied am Wiesbadener Staatstheater spielte). Die Frau ist, man ahnt es bereits, ein Multitalent und bleibt dabei doch stets geschmeidig und sympathisch nahe. So einer hört man einfach gerne zu, wenn sie über ein eher heikles Thema wie den Menschen spricht. Denn das geschieht ebenfalls multitaskingmäßig: mit klugem Witz, der glänzend unterhält, aber auch zum Nachdenken anregt.
Dabei mäandert sich Hühnerfeld geschickt durch das von uns mittlerweile leider verminte Themengebiet des Menschseins. Als Mutter von vier Jungs („Und da ist der Mann noch gar nicht mitgezählt.“) überblickt sie ein weites Studienfeld und erklettert die Evolutionsleiter über die Stufen Kinderkriegen, Psychologie, Jugendsprache, aphrodisierende Hausarbeit des Gatten oder Sprachentwicklung bis hin zu Religion und Steuerpolitik Pointe für Pointe. Die sind gut gesetzt und treffend formuliert: kleine Nadelstiche, die, jeder für sich, nicht weh tun, aber doch irgendwann wirken.
Um den Blick vom eigenen Nabel der Welt mal abzuwenden ist das Fragen nach der Fremdwahrnehmung ohnehin besser. Und so singt Hühnerfeld Ukulele klampfend davon, wie uns wohl die Tierwelt sieht: Hund und Katze, Mücke und Motte, Marder und Waschbär oder Elster und Taube lieben uns (und unsere frisch geputzten Autos). Schließlich sind wir doch auch nur ein animalisches Wesen, das halt über etwas mehr Grips verfügt – und damit Rekorde aufstellt, um im Guinness-Buch genannt zu werden, oder den Darwin-Award (für die dümmste Art zu Tode zu kommen) erhält. Nein, das mit der Krone können wir uns wohl abschminken. Oder? Denn der Mensch hat doch auch Großartiges erfunden. Und wieder entzückt Hühnerfeld mit einer Pantomime, in der sie bei jedem „Rad“ ein solches schlägt, um am Ende erschöpft am Boden zu liegen. Ein weiterer Glanzpunkt ist ihr Schöpfungsmythos, in dem sie geschickt zwischen Schöpfer und Geschöpf hin- und herschwingt, so dass man am Schluss gar nicht mehr weiß, was als erstes da war und ob Gott den Menschen schuf oder es nicht doch andersherum war.
Man könnte endlos weitererzählen, so vielfältig und kurzweilig ist das, was Hühnerfeld da auf die Bühne zaubert. Und man bekommt ganz nebenbei einen Kurs im Steuerrecht, denn als Selbstständige unterliegt die Künstlerin gleich drei Umsatzsteuersätzen, je nachdem, was sie auf der Bühne macht. Und als sie dort gleichzeitig für das Kabarett wirbt (19 %), zaubert (7 %) und dabei Kultur schafft (0 %), schafft sie glatt die fiskalische Quadratur des Kreises – das Finanzwesen ist auch so eine brillante Leistung, auf die die niedere Tierwelt mit Neid blicken dürfte.
Apropos: Wie sieht es dort eigentlich mit der Fortpflanzung aus? Das zeigt Hühnerfeld natürlich wieder pantomimisch. Und sollte diese wunderbare Kabarettistin mal ein Best-of-Programm planen, so wäre ein Abend, der sich allein diesem Aspekt ihrer Kunst widmet, etwas, für das man sofort alles stehen und liegen ließe. Allein schon ihr Galopp beim Hobby-Horsing ist olympiaverdächtig.
Wir merken: Die Erde braucht uns nicht, aber wir brauchen die Erde. Und wir brauchen einander, benötigen Empathie und Altruismus. „Denn das ist es letztendlich, was uns von der Tierwelt unterschiedet“, erklärt Hühnerfeld: „Wir können voneinander lernen und damit unser Miteinander verbessern.“ In einem letzten Lied sehnt sie sich als KI folgerichtig nach menschlicher Nähe und Empfindsamkeit. Zuvor mündet das Programm „Menschen muss man mögen“ in ein fallendes Plädoyer gegen Ängste vor und neugierige Offenheit gegenüber dem Fremden. Dabei schneidet sie eine Leine, an der ein Luftballon hängt, in Stücke – jedes steht für ein Vorurteil, um diese magisch wieder zusammenzufügen. Buchstäblich bezaubernd. Dass der Ballon die gleiche Farbe hat wie die AfD, ist vielleicht kein Zufall, oder?