Bonmots in Goldpapier
MAINZ (14. März 2025). Das siebte Programm des Kölner Comedians fällt aus der Reihe: Nach Spielereien mit seinem Namen – Fatihtag oder Fatihmorgana – geht Fatih Çevikkollu neue Wege. „Es gingen ja noch Fatihkan oder Kalifatih – je nach Standpunkt. Mir ist das gleich, aber nicht egal“, setzt der Deutschtürke gleich zu Beginn eine kluge Duftmarke. Aktuell steht er aber mit „Zoom“ auf der Bühne und spielt damit nicht auf Klaus Lages berühmten Hit aus dem Jahr 1984 an, sondern auf die Möglichkeit, sich Dinge oder Phänomene mal aus der Nähe zu betrachten, sie also heranzuzoomen. Und da gibt es natürlich viel, was ein Kabarettist unter die Lupe nehmen kann.
Sympathisch locker und mit der seinem Berufsstand eigenen Respektlosigkeit knöpft sich Çevikkollu also Politik und Gesellschaft vor. Während ein Teil der Menschheit technisch durch die Decke gehe, kehre ein anderer wieder in die Steinzeit zurück. Den Namen Trump braucht er gar nicht auszusprechen. Und tut das auch nicht, als er den kommenden Kanzler Merz charakterisiert: Unerfahren im Regieren, ohne Fingerspitzengefühl, bei Wahlversprechen unverlässlich, nicht immer ganz wahrheitsliebend und im Ton auch mal rüpelhaft – ein Schelm, wer Böses dabei denkt: „Ich habe keine Angst vor Ausländern, ich habe Angst vor Sauerländern.“
Mit der CDU („Das C steht für Clan.“) hat Çevikkollu es ohnehin nicht so. Die sei korrupt bis ins Mark, blickt er auf Merkels Amtsvorgänger zurück. Ob Merz die Belange des deutschen Volkes höherstelle als die von Blackrock & Co? „Ich bin gespannt“, weiß der Kabarettist doch immerhin, dass er und seine Kollegen im nächsten Kanzler einen zuverlässigen Pointenlieferanten haben werden. Über Kohl will aber er nichts Schlechtes sagen: „Man soll über Verstorbene ja nur Gutes erzählen. Er ist tot. Gut.“ Darauf, dass das Publikum sein Lachen im Keim erstickt, folgt ein Bonmot in Goldpapier: „Politisch korrektes Lachen heißt, es zu unterdrücken: Man will besser sein, als man ist.“
Der Zoom auf die Gegenwart fällt nicht minder ernüchter(n)d aus: Das Schönheitsideal werde vom Smartphone diktiert, alle müssten flach, glatt und ohne Kanten sein. Höchstens Kardashian setze Akzente, wenn es das Fetteinspritzen ins eigene Gesäß sei. Dabei ist doch klar: „Was bleibt Dir, wenn Du beim Schuhezubinden blau anläufst?“ Als einer aus dem Publikum „Sport?“ antwortet, stellt Çevikkollu klar: „Nö, Klettverschluss.“ Doch auch abseits geschickt gesetzter Pointen dieser Güteklasse hat der an der Berliner Schauspielschule Ernst Busch ausgebildete Künstler viel zu bieten: Zur Verdeutlichung seiner Thesen führt er Shakespeares „Richard III.“ und Schillers „Kabale und Liebe“ ins Feld, wobei er den Klassiker gekonnt mit der BMW-Erbin und Multimilliardärin Susanne Klatten koppelt und daran seine Kapitalismuskritik aufhängt.
Nach der Pause geht es weiter mit den Widersprüchen dieser Welt, in der viele bestens vernetzt, aber einsam seien: „Social media bedeutet mehr media als social.“ Irgendwann habe man genug, größer sei nicht mehr. Daraus entstünden kognitive Dissonanzen. Was es also braucht, ist Entspannung, die Çevikkollu sogleich als indischer Yogalehrer auf Englisch propagiert: So lustig kann gut gemachte kulturelle Aneignung sein. Dabei stellt sich der Meister auf den Kopf und liefert ein super „Feetback“ – Chapeau!
Die beste Nummer aber hebt sich der Kabarettist für den Schluss auf, denn am großen Tisch, an dem heute zum Glück nicht mehr nur alte, weiße, heterosexuelle Männer christlichen Glaubens sitzen dürften, brauche es vor allem Verständigung: „Wisse um den anderen“, lautet das eigentlich so einfache Postulat, das Çevikkollu anschaulich erklärt: Für den Deutschen sei das wichtigste die Pünktlichkeit, was der Türke als eher einengend empfinde („Ihr habt die Uhren, wir die Zeit.“). Beim Osmanen sei es die Höflichkeit, was andere vielleicht als Schleimerei empfänden. Ebenfalls hoch im Kurs stünde dort die Ehre, was man im christlichen Abendland falsch verstehe und daher ablehne: „Wisse um den anderen“, wiederholt Çevikkollu gebetsmühlenartig: „Nicht werten, wissen.“
Besteht also noch Hoffnung für die Gesellschaft, die vom Hochhaus springt und auf dem Weg nach unten sagt: „Bisher ist noch alles gut gegangen.“? Wenn man Künstlern wie Fatih Çevikkollu zuhört und beherzt, was sie zu sagen haben, vielleicht. Wie er begonnen hat, zoomt sich der Comedian aus seinem Programm auch wieder heraus: mit einem gekonnten Rap. Genauso rhythmisch und gut getaktet war der Abend, an dem sich das Publikum bestens amüsierte. Leider war das Unterhaus nicht ausverkauft, weswegen man von der großen auf die kleine Bühne umgezogen war. Wer nicht da war, hat eindeutig was verpasst.