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Wie Goldnuggets im Schlick

MAINZ (21. März 2012). Verwundert reibt man sich Augen und Ohren: Das also ist Fil, in Berlin nach eigenen Angaben mittlerweile Kult, in Mainz noch kaum bekannt. Aber neugierig hat er immerhin so viele gemacht, dass sie das halbe kleine Unterhaus füllen – für ein Debüt im Kleinkunsttempel schon mal ganz ordentlich.

Und was macht Fil, der mit bürgerlichen Namen Philip Tägert heißt? Auf jeden Fall etwas, was keineswegs dem kabarettistischem Mainstream entspricht. Während nebenan Urban Priol den Mächtigen die Leviten liest, geht es Fil um viel Greifbareres – fast schon symbolisch wirkt da die Handpuppe Sharkey, die der Show ihren Namen gibt.

Fil will einfach nur unterhalten – aber anders als die anderen: „Ich sage nichts über Guttenberg“, stellt er klar: „Auch wenn in Mainz der Blutdruck erfunden wurde.“ Er umspannt lieber das gesamte Gefühlsspektrum von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt – oder eben von: „Oh Gott, wir werden alle sterben!“ bis „Geil, die Pizza ist ja schon geschnitten!“

Fil steht für das Unerwartete, denn das, was er hier auf die Bühnenbretter zaubert, dürfte seinesgleichen suchen: Mit seinen dadaistischen Ansätzen könnte man ihn vielleicht höchstens mit dem Stil Rainald Grebes vergleichen; doch von diesem unterscheidet ihn wiederum die lockere Planlosigkeit, mit der er agiert. Gewiss, das mag zum Konzept der Stand up-Comedy gehören, kommt jedoch anarchistisch spontan daher und überzeugt dadurch, dass ebendies kaum das Ziel sein will.

Statt sein erstes Lied, einen Countrysong, anzustimmen, schwadroniert Fil minutenlang über die vulgäre Stelle in der zweiten Strophe und erzählt die comichafte Geschichte von der Erfindung der Gitarre. Dies wiederum gründet auf einem hanebüchenen Geschichtsbild, das sich der Künstler aus dem Film „Die Wanderhure“ zusammengezimmert hat.

Subversiv und spöttelnd goutiert er sein Publikum, die Älteren („Sterb!“) und die Jüngeren „mit ihrem technischen Equipment, das doch nur die seelische Verkrüppelung übertüncht“. Wie kleine Goldnuggets im Schlick nehmen sich solch gallige Bonmots aus.

Dann singt er von der Liebe und stört die Idylle mit enervierendem Geschrammel, führt den geneigten Zuschauer in die Bücherkunde ein und beschreibt anhand der Paginierung eines Romans („Wer liest das denn?“) den Spannungsbogen der Handlung. Zwischendurch gibt er zu, seiner Mutter nicht zum Altweibersommer gratuliert zu haben und trägt ein geistvolles Glanzstück vor: eine Novelle, in der das Alphabet den Anfangsbuchstaben des jeweils nächsten Wortes vorgibt. Vergleichbar mit dem legendären „G-Sketch“ eines Heinz Erhardt beweist Fil, mit welch feinem Fingerspitzengefühl er sich der Sprache annimmt.

Und dass er das auch in Noten umzusetzen versteht, zeigt das Lied „Rock ’n’ Roll“, in dem er einmal wie Tom Waits grölt und im Refrain mit einer holzschnittartigen Grönemeyer-Persiflage begeistert, die ob ihrer Grobheit zur rustikalen Karikatur gerät. Auch hiernach reibt man sich Augen und Ohren: Fil macht alles anders – das aber zuweilen richtig klasse.

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