Im Westen und Osten nichts Neues
MAINZ – Mittlerweile hat sich der Berliner Kabarettist durchaus einen Namen gemacht – nicht zuletzt durch seine verdiente Medienpräsenz: Als ständiger Gast des früheren „Scheibenwischers“ und heutigen „Satiregipfels“ der ARD kommentiert er stets aktuell wie bissig und treffend die Themen der Zeit.
Umso überraschender fiel jetzt der Auftakt seines dreitägigen Unterhaus-Gastspiels aus: Statt auch hier den Finger in die nicht nur durch die jüngste Wahl weit geöffnete Wunde zu legen und munter auf den Nerv zu gehen, verlor sich Lüdecke zumeist in der Weite der Oberfläche. „Wer ist mit dem Ausgang der Wahl zufrieden?“, befragt er sein Mainzer Publikum und kommentiert wenig überraschend wie originell: „In Stuttgart hat sich jeder gemeldet.“ Und schon hat er die FDP am Wickel: „Ich finde es gut, dass die große Koalition weg ist – aber der Preis dafür ist mit Guido Westerwelle hoch.“ Mehr kommt am Tag nach der Vereidigung leider nicht. Und das enttäuscht.
Treffend dagegen ist der Name des seit Anfang 2008 gespielten und daher nicht mehr taufrischen Programms: „Verwilderung“. Das trifft nämlich auch durchaus auf die Aus- und Einlassungen des politischen Kabarettisten Lüdecke zu: Statt immer wieder neue Pflänzchen zu setzen und das Programm somit auf dem Laufenden zu halten, verzichtet der Berliner zu oft auf aktuelle Stellungnahmen. Als ob ein Sarrazin seit Monaten geschwiegen hätte. Und wo bleibt Buschkowksys Statement zum versoffenen Betreuungsgeld? So etwas erwartet man doch in den ersten fünf Minuten!
Dass Frank Lüdecke durchaus kräftig zubeißen kann, zeigen seine pfiffigen Ideen und Wortspielereien. Da wird Schröder zum „heiratswilligen Russlanddeutschen“, orientiert sich die deutsche Sozialgesetzgebung an „brasilienfixierten Puffgängern“ und Merkels Forderung, ein Kind müsse zum Schulbeginn die deutsche Sprache beherrschen, wird mit dem Postulat, dies solle es auch zum Schulende, konfrontiert. Was leider schmerzlich fehlt, ist ein roter Faden.
Und so steht der Programmtitel „Verwilderung“ leider auch für die absente Stringenz, der es leider zu oft an der gewohnten Originalität mangelt: Die Frauen aus dem Osten angeln sich reiche Wessis oder werden Telefonistin, während in Brandenburg „auf fünf Hartz IV-Empfänger drei Friseusen“ kommen und die Jugendlichen natürlich Kevin und Jacqueline heißen.
Und so lässt sich der schon oft dokumentierte Einfallsreichtum des früheren „Scheibenwischers“ von Stereotypen übermannen: Da wird Charles Darwin zum Generalsekretär der FDP und die Europapolitik anhand des Eurovision Song Contests beschrieben: Wenn die Türkei in die EU wolle, sollte sie es sich vorher überlegen, ihre zwölf Punkte an Spanien zu verteilen. So gewollt kann Kabarett sein.