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Grandios komisch erzählt

MAINZ (31. Januar 2019). Er kann einfach alles tragen: Am Dienstag Schaffner-Uniform in der live übertragenen ZDF-Sendung „Die Anstalt“ und heute Turban und Kaftan. Derart gewandet und den „Gankino Circus“ aus Dietenhofen im Schlepptau schickt sich Matthias Egersdörfer im Unterhaus an, das Publikum mit „Geschichten aus 1001 Nacht“ zu verzaubern. Fast nimmt man ihm die Rolle der Scheherazade auch ab und wäre spätestens mit der Bauchtanzeinlage überzeugt, aber irgendwie stört der Vollbart doch ein wenig.

So ganz authentisch will es natürlich auch gar nicht sein. Dafür ist der Abend, überschrieben mit „Die Rückkehr des Buckligen“, aber phänomenal unterhaltsam, musikalisch eine Wucht und dennoch auch ein kleines Lehrstück, das vor allem neugierig macht, sich mit dieser orientalischen Geschichtensammlung mal ein bisschen näher zu beschäftigen.

Was passiert auf der Bühne? Klangvoll untermalt trägt Egersdörfer (hochdeutsch!) ausgewählte Erzählungen vor: vom Buckligen, der an einer Gräte erstickt, worauf der Leichnam vom Christen einem Juden und von dem einem Moslem untergeschoben wird. Am Schluss fliegt alles auf und das Todesurteil für alle durch den Kaiser von China kann nur durch das Erzählen spannender Geschichten abgewendet werden.

Natürlich wird nicht stringent berichtet: Egersdörfer springt immer wieder aus der Handlung heraus und hinein in seinen fränkischen Dialekt, um das Erfahrene im Heute zu spiegeln. Das ist natürlich urkomisch, denn ständig schwankt der Franke zwischen ergreifendem Erzähler und cholerischem Kommentator – eine grandiose Idee, fabelhaft umgesetzt. Und es ist Kurzweil pur: Pause ist erst nach hundert Minuten, die Vorstellung dauert fast drei Stunden.

Daran haben natürlich die – von Egersdörfer ständig zusammengestauchten – Vollblutmusikanten vom „Gankino Circus“ auch einen ebenso großen Anteil: Gitarre, Xylo- und Saxophon, Klarinette, Akkordeon, Schlagzeug, Fiedel – alles kommt zum Einsatz, um atmosphärisch die Geschichten von Liebe, blutrünstigen Gewaltorgien, knisternder Erotik, Suff und Völlerei einer farbenfrohen Buchillustration gleich akustisch zu untermalen. Dazu gehört natürlich auch, dass die vier als Geschlechtsteile über die Bühne tanzen und dabei die preisgekrönte Übersetzung der Sagensammlung von Claudia Ott zitieren. „Das ist halt mein Humor“, grinst Egersdörfer diabolisch ins Publikum. Und siehe da: Er kann ja lachen! Das Publikum hat ihn endlich angesteckt.

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