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Mit den Superkräften des Humors

MAINZ (30. November 2016). Ach, wäre es schön, hätte man tatsächlich einen Superhelden, der alle Probleme mit einem Handstreich lösen könnte. Denn die Welt ist – „Na, wie sagt man auf gut Deutsch?“, fragt sich die Kabarettistin Gayle Tufts – ziemlich „fucked up“.

Doch Actionfilme mit Bat-, Iron- und Aquaman sind eben nur Wirklichkeitsflucht – es ist eines dieser Worte, die Tufts mit ihrem amerikanischen Akzent so ausspricht, als buchstabiere sie sie. Auch ihr fehlt es an Superkräften, doch eine Botschaft hat sie. Und die wird sie am Ende ihres aktuellen Programms „Superwoman“ verkünden.

25 Jahre lebt die 56-jährige nun schon fern der Heimat, 22 Jahre davon mit einem Deutschen verheiratet. Geboren in Brockton im US-Bundesstaat Massachusetts freut sie sich natürlich immer über Landsleute, von denen es auch an diesem Abend ein paar in den ausverkauften Frankfurter Hof geschafft haben. Ihr Programm spielt Tufts in einem munteren Kauderwelsch aus Englisch mit deutschen Einsprengseln, was einen zum aufmerksamen Zuhören zwingt.

In „Superwoman“ geht es also um das Heldentum. Doch wer ist ein Held? Marine Le Pen und Frauke Petry schon mal nicht – und auch nicht der, vor dessen Namensnennung Tufts ausdrücklich warnt: „Ich muss jetzt zwei schlimme Worte sagen: Donald Trump.“ Natürlich widmet sie „ihrem“ zukünftigen Präsidenten ein paar Seitenhiebe: „Da muss ich schon ein bisschen kotzen“, reagiert sie auf die „schreckliche Mischung aus Dieter Bohlen, Dagobert Duck und Pegida“. Sie sei „verdammt froh, in Deutschland zu leben“, sagt Tufts und rät: „Geht wählen – es kann schneller passieren, als man denkt.“

Doch zum Glück seien nicht alle Amerikaner so: Abraham Lincoln, Walt Whitman, Martin Luther King, Michelle Obama und Edward Snowden sind nur einige der Namen, die Tufts als Gegenbeweis ins Feld führt. Man habe zum Glück „mehr Superhelden als Superarschlöcher“. Als Freiheitsstatue verkleidet singt sie, am Klavier begleitet von Marian Lux, eine Ode auf die Freiheit und mahnt die Europäer, keine neuen Mauern zu bauen – eine schwungvolle Nummer mit Tiefgang.

Wer sind also die Helden unserer Zeit? Laut Tufts alle, die sich selbst einbringen und dazu kein „Superfood“ brauchen wie Goji-Beeren oder Quinoa („Das klingt wie ein Sohn der Ochsenknechts!“): Menschen wie die 63-jährige Paralympics-Medaillen-Gewinnerin Marianne Buggenhagen, die Krankenschwestern, die Lehrer und Lehrerinnen – eigentlich beschämend, dass es eine Kabarettistin ist, die einen daran erinnert. Aber es sind für Tufts auch die offenherzigen Deutschen, die sie 1991 willkommen hießen. Und alle, die sich selbst akzeptieren, ohne gleich zur Problemzonengymnastik zu rennen – wieder so ein deutsches Wort, das Gayle Tufts genießt auszusprechen.

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