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Viele Hessen im Herzen

MAINZ (9. April 2013). Manch Online-Junkie daddelt sich den lieben langen Tag durch ein Spiel namens „World of Warcraft“. Gerd Knebel hingegen muss ich fernab jeder Fiktion in der realen „Wörld of Drecksäck“ bewähren.

Gedanklich wähnt er sich daher schon mal im virtuellen „Counterstrike“, um sein Gegenüber einfach umzunieten – oder ihm zumindest eine zu batschen: „Zum Beispiel Autogrammjägern – hätte John Lennon dem Mark David Chapman einfach eine gebatscht, würde er heute noch leben…“

Der bestechenden hessischen Logik ist nichts entgegenzusetzen und je absurder die Zirkelschlüsse sind, die Knebel in seinem zweiten Solo zieht, desto mehr gerät das Publikum aus dem Häuschen. Hier haben sich die richtigen gefunden, denn an diesem Abend verlässt keiner indigniert den Saal: Man muss den Humor Knebels, der sich einst in den legendären Badesalz-Sketchen mit Henni Nachtsheim manifestierte und mittlerweile auch ohne Gegenüber zündet, schon mögen.

Wer jedoch auf der Wellenlänge Knebels funkt, dem offenbart sich ein kurioser Kosmos regionaler Disparitäten, der auf genauer Beobachtung und skurriler Überzeichnung fußt. Der Komiker vereint alle diese Charaktere in sich – ein risikoreiches Vorgehen, fordert Knebel doch höhere GEZ-Gebühren für multiple Persönlichkeiten. In seiner Brust aber schlagen die Herzen vieler Hessen und verschaffen sich lautstark Gehör: im Getränkemarkt, im Café beim Kakao, auf dem Laufband, im Callcenter-Gespräch.

Überall ortet Knebel seine „Drecksäck“ und weiß doch: Die Gefahr einer Infektion ist groß. Natürlich benutzt er keine Plastiktüten sondern Weidenkörbchen, aber im Internet wird trotzdem geordert. Wie rasch man selbst mutieren kann erkennt man daran, dass man sich auch bei Knebels Scherzen in der Grauzone des Anstands die Tränen trocknet: Nie ist es so ganz klar, ob Knebel hier beruflich oder privat witzelt, wobei gerade diese Unschärfe natürlich auch einen kribbelnden Reiz hat.

Neben herrlich rustikalen Dialogen, in denen sich Knebel mühelos aufspaltet, gibt es natürlich auch hilfreiche Tipps: Verkehrstote werden durch die Ansiedlung von Sexualstraftätern dezimiert und mit wasser- und brandfesten Siebdrucken von Mohamed-Karikaturen sowie Mehrweg-Sprengstoffjacken synergetisch Gewinne erzielt: „Man muss drauf kommen – und der Hesse kommt drauf.“

Woran aber erkennt man einen Drecksack? An seiner Neugier, die sich oft in Fragen dokumentiert: „Suchst Du Streit?“ Vor ihnen kann man sich am besten schützen, indem man Chef einer Religionsgemeinschaft wird. Oder eben den Todfeind juristisch folgenlos in „irrtümlicher Notwehr“ niederstreckt. Für die persönliche „Wörld of Drecksäck“ ein fragwürdiger, aber eben auch wirksamer Tipp…

Weitere Informationen und Termine gibt es im Internet unter http://www. www.gerd-knebel.de.

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