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Genussvoll monströse Karikaturen

MAINZ (3. Juni 2016). „Deppenmagnet“ heißt das neue Programm des Kabarettisten Günter Grünwald, denn so kommt er sich oft vor. Damit gibt er jedem Zuschauer automatisch das Gefühl, eine Gemeinsamkeit zu haben: Denkt man nicht selbst zuweilen, der einzig Normale und nur von Idioten umgeben zu sein? Als derart eingebildeter Solitär des Geistes zieht sich Grünwald gleichsam auf einen Olymp zurück, um wie Zeus seine Blitze auszuwerfen.

Pointen baut der Ingolstädter stets ähnlich und erinnert damit an ein Bad bei hohem Wellengang: Das Wogen schaukelt sich immer weiter auf, um vor dem Scheitelpunkt einen Moment lang innezuhalten. Kurz wägt man sich in Sicherheit, doch dann bricht die Welle mit kolossaler Macht – genauso nimmt Grünwald in einem Augenblick der Selbsterkenntnis alles zurück, um dann umso kraftvoller zuzulangen. Und wie beim Planschen in der Meeresdünung kann man davon gar nicht genug kriegen: Das Publikum im Frankfurter Hof amüsiert sich prächtig.

Grünwald erzählt seine herrlich skurrilen Geschichten mit unterschiedlicher Dynamik, wobei das Amüsement auf Kosten der „Deppen“ immer mit einem ausgleichenden Quantum an Selbstironie gepaart wird. Beispiel Supermarkt, wo er sich über die Menschen aufregt, die beim Auswählen ihrer Obsteinkäufe alles antatschen – Grünwald selbst verhält sich – natürlich! – ganz anders, versichert er mit Unschuldsmiene: „Außer bei Avocados, versteht sich. Und bei Mangos. Und Pfirsichen, Aprikosen oder Zwetschgen.“

„Deppen“, über die sich der Bayer aufregen kann, gibt es natürlich genug. Dabei belässt es Grünwald nicht beim bloßen Blaffen, sondern baut um seine verbalen Attacken Geschichten, die durch den runden Dialekt noch an Plastizität gewinnen. Hakenschlagende Brüche verleihen dem Programm dabei erfrischend-kantige Kontur. Besonders durch die Übertreibung bekommen Grünwalds Karikaturen zuweilen etwas genussvoll Monströses: Als er von einem TV-Bericht aus dem „Swingerclub Kreisverkehr“ erzählt („Auf RTL3: Je höher die Zahl, umso dümmer die Beiträge.“) und die darin wirkenden Protagonisten beschreibt, lehrt er den Zuhörer durch immer neue optische Details grinsend das Grausen.

Politischer Kabarettist will Günter Grünwald nicht sein, dabei hätte er durchaus das Zeug dazu. Denn auch mit seiner Komik ist er der Narr, der in den Spiegel blicken lässt. Ein Höhepunkt ist der besoffene Bayer, den der Landsmann mit einer mimischen Verve spielt, dass es Funken schlägt: „Da kommt er, der Asyl“, stammelt der Zecher und regt sich darüber auf, dass der „Neger“ in seinem Stammlokal einfach so eine Spezi und einen Schweinsbraten bestellt. Mit peinigender Eindringlichkeit, wie man sie höchstens von Gerhard Polt kennt, gipfelt die Boshaftigkeit dann in einem gelallten „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ Wenn Grünwald noch weiter in diese Richtung ginge, wäre das wahrlich kein Verlust.

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