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Heinz in der Sackgasse

MAINZ (28. September 2011). Wenn man nicht wüsste, dass hinter diesem batschbekappten Heinz Becker Gerd Dudenhöffer steckte, man würde ihm den Mund zu halten wollen: In seinem neuen Programm „Sackgasse“ rangiert der Kabarettist aus dem Saarland seinen Biedermann einmal mehr in ausweglose Gedankengänge, wo Heinz nach Herzen zündeln darf, ohne sich die Finger zu verbrennen.

Im Unterhaus sitzt der mit Gürtel und Hosenträger doppelt gesicherte deutsche Michel in gewohnter Pose: sinnigerweise vor einer Betonwand auf dem Klappstuhl, mit beiden Beinen auf der Erde und dem Zeigefinger in der Luft. Anfangs passiert lange nichts: Becker tänzelt sich wie ein Boxer warm, verbreitet sich über verdächtig harmlose Nebensächlichkeiten, wie den Willi Stankow, der seit 20 Jahren Kassenwart der Kaninchenzüchter ist. „Sie haben ihm eben nie was nachweisen können – außer der Bandscheibe ist nichts vorgefallen“, kalauert er und gibt den guten Nachbarn: „Ich habe ihm die Eternitplatten von meinem Garagendach gegeben. Da wollt ich nichts für haben – bin ja schließlich gesetzlich verpflichtet, das Zeug zu entsorgen.“

Und über Stankows Flucht in den Westen (1990) tigert sich Becker an die erste scharfe Klippe heran: „Die Realität hat mit der Wirklichkeit oft nichts zu tun. Genau wie mit dem Holocaust.“ Da gebe es welche, die sagten, das sei alles gar nicht wahr, aber: „Die Juden leugnen das ja auch nicht.“ Und schon landet Dudenhöffer den ersten Schlag in die Magengrube. Noch nach Luft schnappend hat Becker aber schon wieder das nächste Thema gefunden, wenn die demente Mutter des Nachbarn die Schwiegertochter nicht mehr erkennt: „Manchmal ist die auch zu beneiden…“

Als Stammtischbruder im Geiste darf Becker alles sagen, was ihm in den Sinn kommt. Ungefiltert lässt Dudenhöffer seine Kunstfigur grobmotorisch gegen die Political correctness verstoßen und hält dem Publikum damit doch nur einen Spiegel vor. Die bewusste Verzerrung dient dabei als Puffer und fordert klar auf, innerlich Stellung zu beziehen: Im Kabarett lacht man über die geistigen Handgranaten, die Becker da zündet. Aber wie würde man realiter auf einen Brandstifter dieses Kalibers reagieren?

In der geistigen „Sackgasse“, in der sich Becker häuslich niedergelassen hat, findet er natürlich Themen ohne Ende und Dudenhöffer lässt ihm genügend Zeit für wohlig schmerzhaften Klamauk, bei dem man jedoch stets mit scharfer Spitze rechnen muss. Ist der 11.9. für Willi ein Glückstag, weil der da sein Wiegenfest feiert, bekennt Becker fassungslos, dass dieses Datum für ihn für die Katastrophe schlechthin stehe: „Da habe ich Hochzeitstag.“

Überhaupt „‘s Hilde“: Die werte Gattin bekommt es natürlich auch wieder knüppelhart ab, wenn Heinz über den Gotteslohn des terroristischen Märtyrers sinniert: 70 Jungfrauen im Himmel? „Bei 70 Hildes würd‘ ich mich grad‘ noch mal in die Luft sprengen.“ Dann doch lieber die Gemahlin bei der Streetview-Erfassung komplett verpixeln: „Wenn‘s geht in echt.“

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