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Auf dem Holzweg

MAINZ (10. März 2019). Am 20. Februar jährte sich der Geburtstag des großen deutschen Humoristen Heinz Erhardt zum 110. Mal, am 5. Juni wird man seines 40. Todestags gedenken. Doch Witz und Esprit dieses großen Mimen sind lebendig wie eh und je.

Erst jüngst nahm die Big Band des NDR fast vergessene Kompositionen aus dem Nachlass Erhardts neu interpretiert auf, wofür seine Enkelin Nicola Tyszkiewicz Schauspieler und Musiker wie Tom Gaebel, Stefan Gwildis, Wotan Wilke Möhring oder Axel Prahl gewinnen konnte. Nicht nur sie, auch andere Künstler schwärmen noch heute von den Gedichten und Wortspielereien, den Aperçus und Bonmots dieses Erzkomödianten.

Es gibt begnadete Imitatoren wie Thorsten Hamer oder den eher als heute-show-Wüterich Gernot Hassknecht bekannten Hans-Joachim Heist. Vor zwei Jahren dann schickte sich eine Truppe des Hamburger Musiktheaters Engelsaal an, mit der „Großen Heinz Erhardt Show“ ein „Musical über den unvergessenen Schelm“ auf die Bühne zu bringen. Bis April tourt man damit durch Deutschland.

In Mainz machten Karin Westfal, Stefan Linker, James Mironchik und Ralf Steltner jetzt Station in der Rheingoldhalle. Auch der ausverkaufte Gutenberg-Saal zeigte, wie beliebt Heinz Erhardt bei Menschen jeden Alters ist. Doch die hätten sich für das Eintrittsgeld lieber seine Bücher kaufen sollen, denn das, was man an diesem Abend geboten bekam, war nichts Halbes und nichts Ganzes. Am besten gefiel noch Stefan Linker, der Erhardt in Sachen Optik, Mimik und Gestik sowie Vortrag ziemlich nahekam. Ein Abend mit ihm alleine hätte gefallen können.

Doch man schickte sich an, ein schiefes Konstrukt aus Vortrag und Infotainment zu präsentieren, wofür man offenbar mit halbem Auge Erhardts Lebenslauf bei Wikipedia überflogen und konzeptlos Gedichte wie „Die Made“ oder „Der Berg“, Vierzeiler sowie Balladen von Ritter Fips aneinandergereiht hatte. Westfal und Steltner mühten sich als Rezitatoren, Erhardts Versprecher wurden inflationär wie Konfetti gestreut, seine Poeme mühevoll in von Mironchik am E-Piano begleitete Lieder gepresst. Alles mochte gut gemeint sein, war aber doch mal wieder das Gegenteil von gut gemacht – das Publikum applaudierte denn auch eher verhalten.

Erhardts berühmte Interaktion mit dem Publikum, seine wunderbar gespielte Naivität, die ihn so unglaublich liebenswert machte, sein großartiges Talent, mit Sentenzen zu spielen – all das wurde in der „Großen Heinz Erhardt Show“ wenn überhaupt nur ganz kurz touchiert und blieb zugunsten einer lieblos zusammengezimmerten Revue letztendlich auf der Strecke. Dazu soll Erhardt wenigstens das (auch an diesem Abend zitierte) Schlusswort haben: „Nicht jeder, der die Bretter, die die Welt bedeuten, betritt, merkt, dass er auf dem Holzweg ist.“

[Foto: Carlsen Verlag/Erbengemeinschaft Heinz Erhardt]

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