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Publikum ist wichtiger Teil der Show

MAINZ (10. September 2012). Mainz als „Schlagloch Rheinhessens“, als „Eiterbeule Wiesbadens“ gar? Bernhard Hoëcker weiß, wie man sich unbeliebt macht. Und er versteht es auch, sich ans Publikum ranzuwanzen: „Als ich anreiste bemerkte ich, dass in Wiesbaden noch Segelschiffe liegen – hier gibt es schon Motorboote.“

Das aktuelle Comedy-Programm, mit dem er durch die Republik reist, heißt „Netthamseshier!“ Und vor Ort beteuert er natürlich, sich hier am wohlsten zu fühlen. Diese Idee verspricht erst mal nicht allzu viel, wird durch einen wie Bernhard Hoëcker jedoch ein Stück weit vergoldet. Denn seiner Show fehlt auf erfrischende Weise die Vorhersehbarkeit; ihren Reiz zieht sie vor allem aus der Spontanität des Komikers, der sich genau so wenig ernst nimmt wie sein Publikum.

Und das amüsiert sich im Unterhaus köstlich auf eigene Kosten – vor allem natürlich, wenn es den Sitznachbarn trifft: Fragen nach Wohnort, Beruf, Hobby, Studium, Haustier oder Ehestand geben Hoëcker die Möglichkeit, ein Bild seines Auditoriums zu zeichnen. Manchem muss er die Antworten aus der Nase ziehen, mancher antwortet ungefragt. Der Inquisitor deckt auf und erzählt dabei auch von sich pikant Interessantes: über seinem Hund „Fluffy“, den Video-Dreh mit der Heavy Metal-Band „Edguy“, für den er Robin Hoods Friar Tuck und Maid Marian mimte, des Agnostikers Glauben an das fliegende Spaghetti-Monster und manches moderne Märchen.

Vieles ist einfach nur lustig, wird durch Situationskomik aufgepeppt, weniges zieht sich und sorgt für unnötige Längen. Doch jedes Publikum ist anders und so weicht das Zähe am Folgeabend wahrscheinlich schnell wieder dem Knackigen. Bernhard Hoëcker kann als Comedian in der genialen TV-Satire „Switch reloaded“ oder anderen Formaten streng nach Drehbuch glänzen, doch liegt seine Stärke eben auch in der Improvisation: Ein Zuschauer aus Budenheim wird jovial gefoppt und auf der spontan für diesen Abend live eingerichteten Facebook-Seite bekommt der schwachbehaarte Komiker gleich mal das Angebot, sich die Glatze streicheln zu lassen.

Hoëcker geht auf jede Äußerung ein, genießt dabei sichtlich den Kontakt mit seinem Auditorium, kommt auf Äußerungen zurück und spinnt so ganz unbemerkt doch noch seinen roten Faden. „Netthamseshier!“ kann überall spielen – einzigartig wird es für jeden Abend durch die Interaktion der Zuschauer, die dadurch zum Teil des Programms werden. Entspannt zurücklehnen kann man sich vor Hoëckers TV-Präsenz. Wer ihn live erlebt, dem nimmt er die Fernbedienung grinsend aus der Hand. Aber warum sollte man auch wegzappen wollen?

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