Von Steaks und schlechten Jägern
MAINZ (2. Mai 2014). Widmet sich ein Kabarettist einem einzigen Thema, dann muss er sich gut vorbereiten – egal, ob beim Dauerbrenner Mann und Frau, wenn er auf die Bahn draufhaut oder den Berliner Flughafen verbal einreißt. Holger Paetz hat dankenswerterweise genau recherchiert und tischt für sein aktuelles Solo „Auch Veganer welken“ so manche Tatsache auf, die einem lieber doch nicht so präsent sein möchte, wenn man noch zu denen gehört, die sich ein saftiges Steak schmecken lassen.
Dabei tritt der Künstler keinesfalls als Missionar für ein fleischfreies Leben auf. Und anfangs folgt er Schritt auf Tritt der Marschrichtung, die der Titel des Programms vermuten lässt: Vegetarier und Veganer bekommen kräftig eingeschenkt. Das aber wird so gekonnt serviert, dass es auch ihnen mundet. Da kriegt sogar der alte Witz, dass Vegetarier übersetzt „schlechter Jäger“ bedeutet, eine pfiffige Note: Paetz mag seine Scherze anfangs auf Kosten der Fleischverächter formulieren – aber er macht sich nicht über sie lustig.
Denn dann liegt ihm die Diagnose seines Arztes vor: Gicht. Und die Therapie: Verzicht auf tierische Produkte. Plötzlich sieht sich der Liebhaber von Weißwurst und Fleischpflanzerl auf der einst gegnerischen Seite. Ob die Geschichte der eigenen Biografie entnommen ist, bleibt an diesem Abend unklar. Doch dass sich Paetz Gedanken über seine Ernährung gemacht hat und als Argument für den Fleischverzehr irgendwann nur noch ein verzweifeltes „Es schmeckt!“ übrig bleibt, lässt aufhorchen.
Natürlich echauffiert sich der Münchner erst mal über den grünen Veggi-Day. Und über die Pestizide in den Trauben, die ihm nach dem abendlichen Chianti-Genuss das Gesicht immer so aufquellen lassen. Da ist der „vegane Terror“, der ihm die eigene Einsilbigkeit verschlägt: „Fett, Hack, Mett, Wurst, Speck.“ Und dürfen Veganer überhaupt zur heiligen Kommunion? Oder heißt es für sie „Null Extase – nur Zeug aus der Vase?“
Doch nach köstlich zubereitetem Hamster, dem Besuch einer Vegetarier-Messe und Slogans auf dem Textil – „Fleisch? Für mich gestorben!“ und „Mit Wild kannst Du mich jagen!“ – kommt eben die Rechnung und Paetz wechselt die Fronten. Jetzt muss er sich vor seinen Gästen rechtfertigen, in der bayerischen Metzgerei outen und immer mehr erfahren: von Gelatine im ach so gesunden Orangensaft oder von tierischen Rückständen im Leim des Flaschenetiketts.
Seinem Tagebuch beichtet Paetz zwar manchen Rückfall, macht sich aber auch Gedanken über ein Volk, das Haustiere hofiert und bei Veterinären horrende Summen in Fiffis Fortleben investiert, von möglichen Rechten der Nutztiere aber lieber nichts wissen möchte und nach der Demonstration gegen Massentierhaltung noch schnell das Hähnchenfilet beim Discounter einkauft.
Holger Paetz‘ „Auch Veganer welken“ ist Kabarett, wie es sein soll: Eingedenk, dass beim ausgestreckten Zeigefinger drei Glieder auf einen selbst zeigen, prangert er kein Verhalten an, macht kein schlechtes Gewissen. Aber weghören kann man eben auch nicht, wenn er spitzbübisch von seiner Einsicht erzählt: „Ein Vegetarier zwingt einen zum Nachdenken, das kann ich ihm nicht verzeihen.“