Extra ordinär
MAINZ (12. Mai 2025). Volker Pispers, der sich vor zehn Jahren von der Kabarettbühne verabschiedet hat und ihr seitdem schmerzlich fehlt, riet am Ende eines jeden Auftritts, sich vor allem auch junge und unbekannte Talente der Kleinkunst anzuschauen. Daher fiel die Wahl der kulturellen Abendgestaltung jetzt auf Ines Anioli, die im Programmheft des Unterhauses mit dem Oxymoron „tiefgründigster Ficki-Ficki-Humor“ beworben wurde und die man daher unbedarft mit der herzerfrischenden Schamlosigkeit eines Kay Ray in Verbindung brachte.
Obwohl man das Sprichwort „Never buy a book by its cover“ kennt, wollte man doch gerne wissen, wer sich hinter diesem frivolen Etikett verbirgt, denn einem, der sich eher der Generation Insterburg als Instagram zugehörig fühlt, war Ines Anioli in Verbindung mit Kabarett und Kleinkunst bislang nicht geläufig. Also ihr Name schon: Schließlich war es die 38-jährige Podcasterin, Hörfunkmoderatorin und Komikerin, die 2019 ihren Ex-Partner öffentlich der versuchten Vergewaltigung bezichtigte. In sozialen Netzwerken wurde gemutmaßt, dass es sich hierbei um den Kollegen Luke Mockridge handele, was eine unappetitliche mediale und juristische Schlammschlacht zur Folge hatte, die zum Glück irgendwann im Morast des Vergessens ihr Ende fand.
Da man aber seine Zeit besser zu nutzen weiß, als derartige Stories zu verfolgen oder sich im mittlerweile unübersichtlichen Meer der Podcasts zu verlieren, geht man eben ins Unterhaus, um Ines Anioli mal kennenzulernen und zu sehen, was sie so macht. Eine vorbereitende Netzrecherche hatte sich zuvor als wenig zielführend erwiesen, denn Videos wie „Umsonst saufen auf der Whisky-Messe Berlin“, „Geiler Arsch in 20 Minuten“ oder „Pizza Pasta Workout für alle, die Kohlehydrate lieben“ auf Aniolis eigenem YouTube-Kanal erfüllen nicht unbedingt die Anforderungen der Kleinkunstbühne. Zumindest stieß man auch auf einen Clip mit arte-Logo, in dem die Künstlerin davon berichtet, wie sie in Las Vegas eine Gummipuppe geheiratet habe, man sei allerdings nicht mehr zusammen.
Ein bisschen viel Vorgeplänkel, mag die geneigte Leserschaft zu diesem Zeitpunkt zu Recht anmerken. Aber nach dem, was Ines Anioli da auf der altehrwürdigen (großen und ausverkauften) Unterhausbühne in ihrer aktuellen Show „Danzing Kween“ zeigte (nach „Cumedy – deeper wird’s nicht“ und „Goddess“ ihr drittes Solo-Programm), brauchten die Worte ein wenig Aufwärmtraining, um einem einzufallen. Dann aber drängten sie sich ins Sprachzentrum und fanden ihren Weg mit einer Agilität, die der Aniolis gleichkam: Eine „Danzing Kween“ muss natürlich auch tanzen und tat dies höchst körperbetont. Doch das ist auf Dauer und alleine natürlich nicht abendfüllend.
Angesichts dessen, was Ines Anioli zwischen den Schritten da so vom Stapel lässt, hätte sie lieber beim Tanzen bleiben sollen, denn ihr Humor greift beherzt unter die Gürtellinie und fummelt sich dort fest. Dabei kommt er kaum über die anale Phase hinaus und lässt jegliches Taktgefühl vermissen. Anioli verstolpert sich beim Ficken, Kacken und Samen schlucken, tritt einem mit Arsch, Scheiße, Pimmel, Fürzen und Herpes (immerhin simplex und nicht genitalis) kräftig auf die Füße – Darm ohne Charme halt. „Niemand hat gesagt, dass das hier nicht eklig wird“, betont sie an einer Stelle. Gewarnt davor hat einen aber auch keiner. „Ich schäme mich für nichts“, heißt es im Begrüßungslied. Das, was folgt, ist jedoch von solcher Belanglosigkeit, dass es noch nicht mal zum Fremdschämen reizt.
Mario Barth (der übrigens lange, bevor er Stadien füllte, auch mal im kleinen Unterhaus auftrat) feiert mit diesem Konzept Erfolge. Das kann man aber nicht einfach kopieren und den flachen Witz des Berliners mit reichlich Fäkalsprache garnieren. Anioli hat sicherlich zahlreiche Fans, die ihre Instagram-Videos, in denen sie in T-Shirt und Slip durch die Küche hüpft, lustig finden. Dieser virtuelle Parallelkosmos ist aber nur bedingt mit der analogen Kleinkunstwelt kompatibel. Als ein Kind der Sozialen Medien ist die Frau offenbar von einem Mitteilungsbedürfnis besessen, das eben nur Quantität kennt. Welch fatale Entwicklung.
Das Publikum (der Männeranteil liegt an diesem Abend bei höchstens fünf Prozent) stellt jedoch offenbar keine allzu hohen Ansprüche an die Podcasterin: Es wird zwar gelacht und auch mal applaudiert, doch sieht echte Euphorie anders aus. Was bleibt? Nicht mehr als Erinnerungen, die man bitte schnell wieder vergessen möchte: zum Beispiel, dass Ines Anioli als Kind Ballettstunden hatte und dabei eine Fußfertigkeit entwickelte, von der sie noch heute beim Befriedigen männlicher sexueller Bedürfnisse profitiert. Damals tanzte sie auch zum Hit „Mief“ der Band „Die Doofen“. Deren Musiker Wigald Boning und Olli Dittrich haben später (und nota bene für andere Leistungen) mehrfach den Grimme-Preis bekommen. Dass Ines Anioli das ebenfalls schafft, darf bezweifelt werden.
PS: Der Autor bittet Kay Ray ausdrücklich um Entschuldigung für die zu Beginn vermutete stilistische Ähnlichkeit mit Ines Aniolis „Ficki-Ficki-Humor“.