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Diabolische Lust am Tabubruch

MAINZ (29. September 2016). Als Ingo Appelt vor einigen Jahren sein Programm „Göttinnen“ präsentierte, atmeten einige wahrscheinlich erleichtert auf: Der König der Zote gab sich vergleichsweise handzahm. Doch irgendwie war man auch ein wenig enttäuscht: Sollte der Wadenbeißer, der einst vom Bildschirm verbannt wurde, weil er Kinderpuppen auf eine Torwand kickte, in den Streichelzoo umgezogen sein?

Offenbar hat sich Appelt nur eine Auszeit genommen, denn mit seinem neuen Programm „Besser ist besser!“ kehrt der Komiker zur gewohnten Form zurück. Und genau das will das Publikum – zumindest im Mainzer Unterhaus, das an diesem Abend bis auf den letzten Platz ausverkauft ist. Was Appelt mit seinem Programmtitel sagen möchte, bleibt ungewiss. Klar aber ist: Richtig böse ist er eindeutig besser. Und mal ehrlich: Das Anbeten der Frau als Göttin hat ihm doch ohnehin keiner abgenommen.

Sein Timing ist gewohnt dicht: Wie ein Maschinengewehr knattert er seine Pointen ins Publikum, das er mit einem Schwung mitreißt, der einen nicht zum Nachdenken kommen lässt. Denn würde man so manchen Gag hinterfragen, könnte man sich wahrscheinlich nicht derart köstlich amüsieren. Doch der Saal tobt und selbst der distinguierte, ältere Herr zwei Reihen vor einem schüttelt sich vor Lachen, als Appelt ein Liebeslied ans eigene Geschlechtsteil anstimmt oder vom postkoitalen Verhalten eines Lakens gegenüber der hoffentlich befriedigten Gattin erzählt.

Ganz grob geht es darum, dass sich der Mann gegenüber der Frau nur als Dienstleister behaupten kann – im Bett sowieso, aber auch im Alltag. Er gibt Recht, bekennt sich zu jedweder Schuld, hört zu und versteht. Nur so könne jenes testosterongesteuerte Wesen in den Genuss körperlicher Liebe kommen. Wunderbar skurril und übertrieben karikiert er den Mann an sich, der durchaus an den Verwandten aus dem Neandertal erinnert. Wie über Stromschnellen seines Redeflusses schlittert Appelt mit aktuellen Aperçus durch den Abend, wundert sich über superdünne Models im reichen Deutschland und empfiehlt, diese nach Afrika zu verschiffen: „Damit die Schleuser keine Leerfahrt haben.“

Immer wieder taucht Angela Merkel auf, denn der Künstler ist noch immer ein begnadeter Parodist. Sein Udo Lindenberg ist ebenso authentisch wie Til Schweigers Nuscheln (beim Sex mit der Kanzlerin). Ingo Appelt kennt eben keine Schamgrenze, die diabolische Lust am dreisten Tabubruch ist sein Erfolgsrezept. Wer sich darüber echauffiert, sollte seinen Abend woanders verbringen. Nicht umsonst erinnern seine Zoten an den Werbeslogan für ein scharfes Hustenbonbon: Sind sie zu stark, bist Du zu schwach.

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