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„Ins Kabarett gehen reicht nicht.“

MAINZ (3. November 2019). Glückwunsch: In diesem Jahr dürfen Adrian Engels und Markus Riedinger von „Onkel Fisch“ auf 25 Jahre gemeinsames Bühnenschaffen zurückblicken. Für die Kabarettszene ist das in der Tat ein Grund zum Feiern, denn dieses Duo gehört mit zum Besten, was man hier aktuell erleben kann.

Originell und witzig, bissig und hintergründig, doppelbödig und am Puls der Zeit nehmen sie den Auftrag des politischen Kabarettisten wahr: die Aufklärung. Und dabei legen sie eine Dynamik an den Tag, dass man am Ende des Abends mit „Onkel Fisch“ im Unterhaus nur zwei Worte sagen möchte: Mehr davon.

Nun haben die beiden nach eigenen Worten in den vergangenen 24 Jahren nie den Impuls gespürt, sich dem Thema Populismus zu widmen. Doch nicht erst die jüngsten Wahlergebnisse haben sie zum Umdenken gebracht: „Populisten haften für ihre Kinder“ heißt das aktuelle Programm – ein von der ersten bis zur letzten Pointe kluges Vergnügen. Natürlich stellt man sich die Frage, ob ausgerechnet ein Kabarettpublikum hier der Belehrung bedarf. Die Antwort erhält man in der Zugabe. Und sie überrascht.

Zuvor sieht man so grandiose Nummern wie „Wähler suchen ein neues politisches Zuhause“: Da hält der eine den anderen an der Leine und stellt ihn als Ronny vor, der als Wachhund die AfD gewählt habe – ein „Golden Naiver“, der Fachmann spreche auch von einem „Doofermann“. „Nein, nicht das Revier markieren, es gehört allen“, mahnt Engels den knurrenden Kollegen. Keine Angst, der Verfassungsschutz versichere: „Das ist ein ganz Lieber.“ Gehorcht wird allerdings nur auf Befehle im Kasernenton – und schon geht das rechte Pfötchen brav nach oben.

Beide Kabarettisten sind krachende Komödianten mit überbordendem Spaß am gemeinsamen Spiel. Doch bei allen Momenten zum Schenkelklopfen wissen sie um den Ernst ihrer Mission. Da ist das Thema Angst: „Hinterfragen Sie Statistiken“, fordert Riedinger. Und führt mit bestechender Logik ein Zahlenspiel an: „Laut Polizeigewerkschaft wird alle fünf Minuten eingebrochen.“ Das seien rund 100.000 Fälle im Jahr. Doch heruntergerechnet auf 41 Millionen Haushalte würde man statistisch gesehen eben nur alle 410 Jahre tatsächlich selbst Opfer. Und plötzlich fehlt der anfangs beunruhigenden Zahl jede Dramatik.

Nein, zur Panik gibt es laut „Onkel Fisch“ keinen Grund – echte Zahlen sprechen dagegen: „Wir müssen nur unseren eigenen Ängsten misstrauen – und Politikern, die mit ihnen Politik machen wollen.“ Hinterfragen ist also das Zauberwort. Und dass man sich nicht verrückt machen lässt. Am Schluss geben Adrian Engels und Markus Riedinger ihrem Publikum noch eine wichtige Botschaft mit auf den Weg: „Das Sagen in unserem Land haben nicht die Populisten.“ Doch damit es so bleibe, müsse die schweigende Mehrheit ihren Mund aufmachen: „Ins Kabarett gehen reicht nicht.“

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