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Im sprachlichen Schlaraffenland

MAINZ – Der König Midas hatte die Gabe und den Fluch, dass alles zu Gold wurde, was er anpackte. Bei Jochen Malmsheimer ist es allerdings Segen pur: Wenn er das Wort hat, möchte man ehrfürchtig schweigen und kann es doch vor Lachen kaum.

Kurz nach einem Mainzer Gastspiel mit seinem Programm „Ich bin kein Tag für eine Nacht“ erhielt Epik-Kabarettist Jochen Malmsheimer den Deutschen Kleinkunstpreis. Könnte er ihn zwei Mal hintereinander bekommen – man würde ihm die Glocke bis nach Bochum nachtragen, denn auch sein neues Programm „Flieg Fisch, lies und gesunde oder: Glück, wo ist Dein Stachel“ entzückt geradezu ob solcher brachial-genialen Sprachgewalt.

Was es mit diesem etwas sperrigen Titel auf sich hat, wird sich im Laufe der hoffentlich noch unzähligen Vorstellungen, die diesem Wort gewordenen Witz und Verstand beschieden sein mögen, noch herausstellen – der Schöpfer selbst ist sich des Sinns noch nicht sicher. Aber das war bei den beiden Vorgängerprogrammen nicht anders: „Wir haben hiermit jetzt ein Triptichon, das ist ein dreiflügeliges Altarbild“, doziert Malmsheimer: „Anders als ein Kleptichon, das ist ein geklautes Altarbild.“ Der Scherz mag noch so flach sein – der Bochumer adelt ihn allein durch seine Wortwahl.

Wie immer reich an Silben und dieselben kunstvoll jonglierend beweist er anhand der zoologischen Fauna und ihrer Besucher, dass der Mensch keinesfalls die Krone der Schöpfung ist: „Allenfalls ihre Füllung“, schreit Malmsheimer verzweifelt über zu junge Familien mit Vor-, Nach- und Beiwuchs heraus, die oft nicht begreifen könnten, „dass man Kinder lieber einschulen, statt einfrieren oder im Geranienkasten vergraben“ solle: Der bärtige Tresenleser kann auch richtig fest zubeißen.

„Viele sagen, früher sei alles besser gewesen“, wundert sich Malmsheimer und hebt zur donnernden Predigt an, die ihn als glaubwürdigen Moses-Darsteller in einer Bibelverfilmung empfiehlt: „Das stimmt nicht. Aber vieles war gut – und wäre es noch immer, wenn man die Finger davon gelassen hätte.“ Der unwiderlegbare Beweis wird an den Beispielen Wurstbrot und Radio erbracht. Letzteres war zu Malmsheimers Jugend noch eine museale Musiktruhe und ist heute eine Quasselei mit Hörerbeteiligung und Mitspracherecht: „Merke: Die Wurst wird nicht besser, wenn das Schwein vorher mit dem Metzger spricht“, wünscht sich dieser großartige Kleinkünstler den reinen Hörer im Wortsinn zurück. Der „Telefonsketch“ mit dem Radioexperten für Hebe-/Kippfenster und Schiebe-Drehtüren atmet die Genialität Loriots mit eigenem Impetus.

Wenn Jochen Malmsheimer spricht, hängt man an seinen Lippen und aalt sich im sonoren Klang der Stimme, die dichtet, nachdem sie gedacht hat, die Wahrheiten in Witz kleidet und den Scherz in vergnügliche Verse schmiedet: Das satte Beige des Ruhestands oder das erste graue Haar – hier wird’s literarisches Ereignis und man wähnt sich im sprachlichen Schlaraffenland: „Der silberne Gast“ ist eine ergreifend vorgetragene schillernde Ode, die es mit jedem Klassiker aufnehmen kann.

Malmsheimer beherrscht die Klaviatur des Wortwitzes wie eigentlich kein anderer und zieht mit ihm eigener Gestik und Mimik alle Register vom lauten Protest bis zur leisen Geschichte über die sprechenden Bücher, die sich nächtens unterhalten. „Hören Sie mal hin“, rät der Epiker. In der Tat: Zuhören ist bei Jochen Malmsheimer ein wahrhaft sinnliches Erlebnis.

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